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Die Konflikte eskalieren

29. August 2009

Die Beziehungen zwischen der Slowakei und Ungarn sind gespannt - schon seit Jahren. Seit der ungarische Staatschef László Sólyom in dem Nachbarland Einreiseverbot hat, droht die Situation zu eskalieren.

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László Sólyom, ungarischer Staatschef (Foto: DW)
László Sólyom darf nicht in die Slowakei einreisenBild: dw-tv

Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist jedoch schon länger angespannt, nicht erst seit dem Einreiseverbot vom 21. August 2009. Der letzte Besuch eines slowakischen Premiers in Ungarn liegt beispielsweise acht Jahre zurück.

Umstrittenes Sprachgesetz in der Slowakei

Ein Sprachgesetz in der Slowakei, das das Parlament in Bratislava verabschiedet hat, sorgt ebenfalls für Missstimmung. Die ungarnstämmigen Slowaken sollen künftig nur dort ihre Muttersprache in öffentlichen Einrichtungen sprechen dürfen, wo mindestens 20 Prozent ethnische Ungarn leben. Diese neue Regelung solle das Niveau der slowakischen Sprache deutlich heben, sagt die Regierung. Erreicht werden soll das mit Geldstrafen: Das Bußgeld beträgt zwischen 100 und 5000 Euro.

Betroffen sind von dem Gesetz die etwa 500.000 Menschen, die zur ungarischsprachigen Minderheiten in der Slowakei gehören. Deswegen wirft Ungarn der slowakischen Seite vor, die Rechte der Minderheit nicht genügend zu schützen. Die slowakische Regierung wiederum beschuldigt Ungarn, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen und verweist auf die Aktivitäten rechtsradikaler Gruppen sowie nationalistische Aussagen von Extremisten.

Sólyom – der nicht willkommene Gast im Karpatenbecken

Robert Fico, der derzeitige slowakische Ministerpräsident (Archivbild 2006) (Foto: AP)
Robert Fico meint der Besuch László Sólyoms sei ein SicherheitsrisikoBild: AP

Der ungarische Präsident ist seit langem ein Dorn in den Augen der slowakischen Politiker. László Sólyom tritt oft als Schutzherr "aller Ungarn im Karpatenbogen" auf, seine Reisen zu Veranstaltungen der ungarischen Minderheit in die Nachbarländer haben bereits in Rumänien und Serbien für politischen Wirbel gesorgt. Zuletzt wollte er am 21. August in die Slowakei fahren, um als "Privatmann" an der Einweihung einer Statue des ungarischen Staatsgründers im Ort Révkomárom teilzunehmen. Die Regierung der Slowakei verbot ihm wenige Stunden vor dem geplanten Besuch die Einreise.

Am Tag zuvor hatte Sólyom in einer Ansprache Festansprache in Budapest das slowakische Sprachgesetz stark kritisiert. Der offizielle Grund für das Einreiseverbot ist jedoch ein anderer: Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico erklärte in einem so genannten diplomatischen Register, dass der Besuch von László Sólyom ein hohes Sicherheitsrisiko berge. Er betrachte dies als handfeste Provokation.

Der 21. August ist in der Slowakei ein staatlicher Feiertag: Das Land erinnert sich an den Niederschlag der Reformbewegung "Prager Frühling" vor 21 Jahren durch militärische Truppen des Warschauer Paktes – darunter auch ungarische Einheiten. Sólyom hat schließlich seine Reise abgesagt und fuhr nur bis zur slowakischen Grenze.

Ungarn protestiert – Europa zeigt Zurückhaltung

Gleich nach dem Einsreiseverbot erklärte das ungarische Außenministerium diplomatische Gegenschritte auch auf europäischer Ebene. Péter Balázs hat den slowakischen Botschafter zu sich geladen, den ungarischen Botschafter in Bratislava hat er aber "den europäischen Normen entsprechend" nicht zurückgerufen. Die ungarische Diplomatie forderte im Weiteren eine Entschuldigung und eine Erklärung von der Slowakei. Ungarn erwartet auch Unterstützung aus Europa.

Die EU-Kommission betrachtet den Fall jedoch bilaterale Angelegenheit, die die Länder unter sich regeln sollen. Am 25. August hat der ungarische Premier, Gordon Bajnai Beistand beim Europaparlament gesucht, doch auch der Parlamentsvorsitzende, Jerzy Buzek, der wegen des Sprachgesetzes die Slowakei vor ein paar Wochen noch hart kritisierte, wollte sich nicht in den Konflikt einmischen.

Nationalistische Töne

Blick am 05.10.2003 auf Bratislava, das direkt an der Grenze zu Österreich und zu Ungarn und nicht weit entfernt von der Grenze zu Tschechien liegt (Foto: dpa)
Die slowakische Hauptstadt Bratislava liegt an der Grenze zu Ungarn, Österreich und nicht weit von TschechienBild: dpa

Ob die politische Führung in den beiden Ländern eine Lösung anstrebt bleibt vorerst auch fraglich. Am 24. August begannen die osteuropäischen Staaten mit der Vorbereitung eines Treffens zwischen den Ministerpräsidenten Gordon Bajnai und Robert Fico. Die Verhandlungen könnten nun an daran scheitern, dass sich die Parteien vorwerfen, sie würde nationalistische Parolen verbreiten.

In Ungarn wurde jene rechtsradikale "Jobbik" (Eine Bewegung für ein Besseres/Rechtes Ungarn) nach der Europawahl die drittstärkste Partei des Landes. Sie strebt nach einem Großungarn, zu dem noch vor dem Friedensdiktat von "Trianon" 1920 jetzige Landesteile der slowakischen Republik gehörten. Die radikalen Kräfte im Land nördlich der Donau sitzen sogar in der Regierung. Jan Slota, der Chef der Nationalen Partei der Slowakei (SNS) formuliert offen ungarnfeindliche Parolen.

Experten, wie László Öllős sehen hinter dem Einreiseverbot von Sólyom innenpolitische Kämpfe. Wie Ungarn, steht auch die Slowakei vor Wahlen. In letzter Zeit verschärfte sich das Verhältnis zwischen Premier Robert Fico und seinem Koalitionspartner Jan Slota in Bratislava. Weil die kleineren Koalitionsparteien bei der EU-Parlamentswahl Verluste hinnehmen mussten, kann Fico bei den bevorstehenden Wahlen auch auf Wählerstimmen aus dem rechten Wählerspektrum hoffen. Eine Annäherung zwischen den beiden Staaten kann nur durch eine langfristige außenpolitische Strategie in Bratislava und Budapest geschehen. Voraussetzung dafür ist eine Bereitschaft für friedlichere Töne und Gesten auf beiden Seiten. Dazu gehört auch eine klare Distanzierung von Extremisten am Nord- und Südufer der Donau.

Autor: Christian Erdei
Redaktion: Nicole Scherschun