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Von Hannibal bis Bin Laden

Daniel Wortmann1. Oktober 2002

Biologische Waffen sind keine Erfindung unserer Zeit. Schon in der Antike haben die Menschen versucht, anhand von biologischen Waffen ihre Gegner zu schwächen und außer Gefecht zu setzen.

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Die Geschichte biologischer Kriegsführung lässt sich bis ins 4. Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen. Zu dieser Zeit infizierten die Skythen – ein Nomadenvolk auf dem Gebiet des heutigen Rumänien - ihre Pfeile, indem sie diese mit Leichenteilen in Berührung brachten. Ein Jahrhundert später machten sich Perser, Griechen und Römer daran, Brunnen und andere Wasserquellen mit Tierkadavern zu verseuchen. Auch die besondere Art von Munition, die Hannibal 190 v. Chr. in einer Seeschlacht einsetzte, darf als biologische Waffe gelten: Er gewann das Gefecht, indem er mit giftigen Schlangen gefüllte Tongefäße in die feindlichen Schiffe feuerte.

Pest als Waffe

Erreger der Pest - Yersinia pestis
Yersinia pestis - Erreger der Pest

Eines der berühmtesten Beispiele aus der Geschichte der Biowaffen stammt aus dem Mittelalter. Im 14. Jahrhundert brach während der Belagerung der Stadt Caffa unter den Truppen der Tartaren die Pest aus. Bevor sie sich zurückzogen, warfen sie noch einige Pestleichen über die Befestigungsmauern, um die gegnerische Bevölkerung zu infizieren. Ähnlich gingen russische Truppen im 18. Jahrhundert beim Kampf gegen schwedische Truppen im estländischen Reval vor.

Im gleichen Jahrhundert gingen britische Truppen in die Geschichte der biologischen Kriegsführung ein. Im Krieg gegen die Franzosen auf amerikanischem Boden hielten sie die Indianer für Verbündete des Feindes und verteilten an die Ureinwohner Decken, in denen zuvor Patienten mit Pocken gelegen hatten. Unter den Indianern brach die Krankheit aus und setzte ganze Stämme außer Gefecht. Im amerikanischen Bürgerkrieg wurde erneut eine vergleichbare Taktik angewandt, diesmal waren die Decken jedoch mit Gelbfieber infiziert.

Bio-Waffen im Schützengraben

Im ersten Weltkrieg kam es dann erneut zum Einsatz von Biowaffen. So sollen deutsche Soldaten bei Sabotageakten Rinder mit Milzbranderregern infiziert haben. Hauptsächlich angewendet wurden in dieser Zeit jedoch chemische Waffen wie etwa Tränengas und Chlorgas. Unter dem Eindruck der fatalen Folgen dieser damals noch sehr neuen Art der Kriegsführung verabschiedete die internationale Staatengemeinschaft 1925 in Genf ein Protokoll, das den Einsatz von biologischen und chemischen Waffen verhindern sollte. Die Vereinbarung hatte jedoch von Beginn an nur geringes Gewicht, da die USA sie nicht ratifizierten und Japan noch nicht einmal zur Unterschrift bereit war.

Allen Versuchen der Ächtung biologischer Waffen zum Trotz ging die Entwicklung in den Labors ohnehin weiter. Zu den Vorreitern gehörten hier die Japaner, die durch das neue Protokoll nicht gebunden waren. Im Rahmen ihres offensiven Biowaffenprogramms starben über 10.000 Gefangene an den Folgen von Experimenten. 1939 vergifteten die Japaner dann an der ehemaligen mongolischen Grenze die Wasserversorgung des Sowjets mit Typhus-Bakterien. Ein Jahr später warfen sie über chinesischem Gebiet mit Pestflöhen verseuchtes Getreide ab.

Begrenzte Wirkung

Trotz aller Forschungsanstrengungen spielten biologische Waffen jedoch nie eine kriegsentscheidende Rolle. Oft blieb ihr Einsatz lokal begrenzt und zeigte deshalb keine große Wirkung. Einige Länder begannen bald, ihre Forschungsprogramme einzustellen. 1972 gab es mit der "Biological Weapons Convention" dann eine Vereinbarung, in der biologische Waffen umfassend geächtet wurden. Zwar wurde die Konvention auch von den USA und dem Irak unterzeichnet, Verifizierungsmechanismen besitzt sie jedoch nicht. Die jahrelangen Bemühungen, anhand von Zusatzprotokollen eine wirkungsvolle Kontrolle einzuführen, sind erst kürzlich am Einspruch der USA endgültig gescheitert.

Heute droht somit Gefahr von zwei Seiten. Zum einen ist von einer Reihe von Staaten bekannt, dass sie trotz ihrer Verzichtserklärung offensive Forschung betrieben haben und möglicherweise weiterhin betreiben. Zum anderen könnten Terroristen in den Besitz von Biowaffen gelangen. Nach den Milzbrandbriefen, die Ende letzten Jahres in den USA kursierten, ist dies eine durchaus realistische Bedrohung. Vielen Experten halten es inzwischen für wahrscheinlich, dass zukünftig der internationale Terrorismus die Geschichte der biologischen Waffen weiterschreiben wird.