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Sie nannten ihn Traficant

Konstantin Klein11. März 2002

James A. Traficant sitzt seit 18 Jahren im Kongress. Auf seine Reden freut sich immer das gesamte Studio Washington der Deutschen Welle. Schade nur, findet Konstantin Klein, dass sie immer so schnell vorbei sind.

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Gäbe es diesen Mann nicht, man müßte ihn erfinden: Im Heer der grauen Mäuse auf dem Kapitolshügel ist er der einzige, der sich im 70er-Jahre-Jeansanzug oder im Dreiteiler aus braunem Cordstoff an die Öffentlichkeit wagt. Und es ist kein politisches Statement, das Representative James A. Traficant damit abgeben will: der Mann hat schlicht keinen Geschmack. Das beweist auch sein Haarschnitt, der in keinem Jahrhundert der letzten tausend Jahre wirklich modern war.

Berühmt wurde Traficant durch seine Reden im Plenum des Repräsentantenhauses. Die befassen sich mit allen Themen vom Aufenthaltsort Osama bin Ladens über Gemeinschaftstoiletten in High-Schools in Ohio bis zur Lizenzpolitik der Bundesbehörde für Telekommunikation. Gemeinsam ist allen Reden, dass sie nie länger als 45 Sekunden dauern, die Bräuche im Hohen Haus ebenso auf die Schippe nehmen wie den gesunden Menschenverstand, oft den aus der TV-Serie "Star Trek" (Raumschiff Enterprise) entnommenen Spruch "Beam me up!" enthalten und fast nie sonderlich Sinn ergeben.

Über eine Fehlbeschaffung des Pentagon sagte Traficant beispielsweise:

"Mr. Speaker, in den Nachrichten heißt es, das Pentagon habe 600.000 überzählige schwarze Barette (milit. Kopfbedeckungen), made in China. Als ob das nicht genug wäre, Ihren Ballon zum Platzen zu bringen, versucht das Pentagon, diese Kommunistenhüte ins Ausland zu verkaufen. Raten Sie mal, was das Ausland sagt? Warum sollten unsere Soldaten Hüte aus China tragen?

Mr. Speaker, ich schlage vor, diese Barette aus China zu Zäpfchen zu verarbeiten und sie den Generälen im Pentagon zu verabreichen."

In Washington grinst oder stöhnt man über Traficants Auftritte - im Wahlkreis im heimischen Ohio findet man die Politik des Anarcho-Abgeordneten offensichtlich ganz in Ordnung. Seit 1984 wird er alle zwei Jahre mit deutlichem Vorsprung vor seinem republikanischen Gegenkandidaten wiedergewählt - vielleicht mit dem Hintergedanken, ihn dann wieder für zwei Jahre in der belastungsfähigeren Hauptstadt zwischengelagert zu haben. Bei der Wahl im Herbst 2002 könnte dieses Arrangement jedoch zu Ende gehen - Traficant steht derzeit wegen Korruption in Ohio vor Gericht und unterhält dort das Publikum mit Einsprüchen wie: "Warum verhandeln wir hier jetzt weiter? Ich muss auf die Toilette!"

Traficants Unheil wird sein, dass er kein Anwalt ist, sich keinen Anwalt nahm und sich im Prozeß um Kopf und Kragen verteidigt. So fragte er er mit Donnerstimme einen Zeugen, ob er Angst vor ihm habe - und der eingeschüchterte Zeuge antwortete, nun ja, schließlich gebe es ja die Gerüchte, Traficant habe schon einmal eine Ex-Freundin umbringen lassen wollen.

Beam me up.