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Indische Marine versenkte Fischerboot statt Piratenschiff

26. November 2008

Die als Erfolg gefeierte Versenkung eines vermeintlichen Mutterschiffes somalischer Piraten durch Indiens Marine hat sich als großer Irrtum erwiesen: Zerstört wurde offenbar ein gekaperter thailändischer Fischtrawler.

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Brennendes Schiff in der Nacht im Golf von Aden (dpa)
Das Foto der indischen Marine ging um die Welt: Es sollte angeblich ein brennendes Schiff somalischer Piraten zeigenBild: picture-alliance/dpa

Der Schiffseigner, die in Bangkok ansässige Reederei Sirichai Fisheries, bestätigte am Mittwoch (26.11.2008), was in manchen Häfen schon für Gerüchte gesorgt hatte: Bei dem nächtlichen Zwischenfall im Golf von Aden vor einer Woche soll demnach eine indische Fregatte das Feuer auf die "Ekawat Nava 5" eröffnet haben, als sie bereits von Piraten geentert worden war. Als Zeuge wird ein kambodschanisches Besatzungsmitglied zitiert, das vier Tage später aus dem Meer gerettet wurde und in Jemen im Krankenhaus liegt. Demnach soll die gesamte Crew zum Zeitpunkt des Beschusses gefesselt, und daher völlig hilfslos, an Bord gesessen haben.

Weitere Todesopfer befürchtet

Die INS Tabar (vorn) versenkte den Trawler (dpa)
Die INS Tabar (vorn) versenkte den TrawlerBild: AP

Die Seeschifffahrtsorganisation International Maritime Bureau (IMB) in Kuala Lumpur berichtete, ein weiterer Seemann sei bei dem Gefecht getötet worden, insgesamt 14 Seeleute würden noch vermisst. Das thailändische Außenministerium forderte von Indien Aufklärung. Man wolle zudem genaue Angaben darüber, ob die indische Marine versucht habe, Überlebenden zu Hilfe zu kommen. Die indische Flotte wies den Vorwurf zurück. Das von der "INS Tabar" im Golf von Aden angegriffene Schiff sei "feindlich" gewesen, teilte die Marine in Neu Delhi mit.

Nur ein Akt der "Selbstverteidigung"?

Indien hatte vor einer Woche stolz die Versenkung eines Piraten-Mutterschiffes verkündet. Mit diesen schleppen die Seeräuber ihre Schnellboote weit aufs offene Meer, um dort ihre Beute zu jagen. Das Vorgehen der Inder war von Experten als spektakulärer Coup und vorbildliche Strategie gelobt worden. In einer ersten Reaktion rechtfertigte Indien jetzt seinen Einsatz als "Selbstverteidigung". Ein Sprecher der Kriegsmarine in Neu Delhi räumte aber ein, dass man offensichtlich ein gekidnapptes Schiff beschossen habe. Man habe diesem zuvor vergeblich befohlen zu stoppen und sei daraufhin angegriffen worden.

Warten auf den großen Schlag gegen die Piraterie

Über die künftige Militärmacht zum Schutz der Seefahrtsrouten schießen derweil immer neue Spekulationen ins Kraut. Die Bundeswehr soll laut jüngsten Presseberichten im Kampf gegen die Piraten vor Somalia eine Flotte von 500 Kriegsschiffen für nötig halten. Nur so könnten weitere Überfälle am Horn von Afrika effektiv unterbunden werden, berichtet die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf das Einsatzführungskommando der Bundeswehr.

Derzeit kommen die tatsächlich in dem Gebiet operierenden internationalen Seestreitkräfte nur auf einen winzigen Bruchteil dieser Stärke.

Deutsche Fregatte "Emden" in voller Fahrt (dpa)
Deutsche Fregatte "Emden" im Einsatz vor SomaliaBild: picture-alliance/dpa

Nach Angaben des US-Militärkommandos in Bahrain sei die "Combined Task Force 150" der NATO-Staaten und verbündeter Nationen wie Saudi-Arabien, Pakistan und Japan im Durchschnitt lediglich mit bis zu 15 Kriegsschiffen vertreten, berichtet das Blatt. Hinzu kämen gegenwärtig noch ein russisches Schiff, eines aus Indien und eines unter der Flagge Malaysias.

Umfang und Auftrag der Truppe unklar

Portrait SPD-Politiker Rainer Arnold (dpa)
Rainer Arnold (SPD): Deutsche Soldaten auch direkt auf Handelsschiffen stationierenBild: picture-alliance/dpa

Angesichts dieser Lage unterstützen Politiker der großen Koalition Pläne der Regierung, die Piratenjagd mit bis zu 1400 Soldaten zu verstärken. Der Verteidigungsexperte der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sprach sich zur Abschreckung auch für Soldaten direkt auf den Handelsschiffen aus. Er wolle nicht, "dass deutsche Reeder bewaffnetes privates Sicherheitspersonal einkaufen". Das sei eine Sache des staatlichen Gewaltmonopols.

Derzeit sind in den Gewässern zwei deutsche Fregatten unterwegs. Sie durften im Rahmen ihres Mandats in mehreren Fällen nur Nothilfe leisten. Das Bundeskabinett entscheidet Anfang Dezember über die Beteiligung der Bundeswehr an dem Anti-Piraten-Einsatz der Europäischen Union, das Parlament möglicherweise vor Weihnachten. Der EU-Einsatz unter dem Codenamen "Atalanta" soll am 8. Dezember starten. (sc)