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Studentenjob: Prostituierte

3. November 2008

Vom Hörsaal ins Bordell: Als Prostituierte lässt sich gutes Geld für den Studienunterhalt verdienen - so berichtet Sonia Rossi. Sie hat neben dem Studium ihren Körper verkauft - und jetzt ein Buch darüber geschrieben.

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Sonia Rossi
Als Studentin in den Puff: Sonia Rossi hat sich ihr Studium mit Prostitution verdientBild: Hans Scherhaufer

Fokus Europa: Es gibt ja so viele Studentenjobs. Warum haben Sie sich für ausgerechnet diesen entscheiden?

Sonja Rossi:

Weil ich mit einem anderen nicht das gleiche Geld hätte verdienen können. Ich hab auch andere Jobs probiert: Ich hab gekellnert, ich hab als Babysitterin gearbeitet, im Callcenter gearbeitet, so ganz normale Studentenjobs. Am Anfang hatte ich mir nie vorstellen können, so einen Job zu machen. Aber dann hab ich gesehen, dass ich einfach in Armut gelebt habe und das hat mich sehr belastet. So hab ich angefangen vor der Kamera erstmal zu strippen und als ich gesehen habe, dass das auch nicht reichte, da bin ich in einem Massagesalon eingestiegen. Und da hab ich gesehen "Huu! Man kann richtig viel Kohle machen!". Da bin ich auch geblieben, also erstmal drei, vier Monate. Dann hab ich in einem richtigen Puff angefangen.

War der Einstieg für Sie schwierig?

Ja, sicher war der Einstieg schwer, weil ich zu dem Zeitpunkt auch noch richtig verliebt war. Ich war 20 und hatte Heiratspläne und das letzte, was ich mir hätte vorstellen können, war, mit irgendeinem Mann zu schlafen. Deswegen war es am Anfang sehr schwer: Ich war noch nicht so weit, dass ich Privat und Beruf trennen konnte. Ich habe das alles sehr zu Herzen genommen. Insgesamt war ich am Anfang nicht so glücklich. Auf einer Seite gab es das Geld und auf der anderen Seite gab es das schlechte Gewissen – von daher war ich immer hin und her gerissen.

Hat sich Ihr Leben irgendwie verändert in dem Moment, wo Sie dann mehr Geld verdient haben? Konnten Sie sich dann auch andere Klamotten leisten? Ist das aufgefallen in der Universität?

Wie soll ich sagen? Ich habe nicht in Luxus gelebt. Ich habe gerade mal so gelebt, dass ich mir die notwendigsten Dingen habe leisten können, weil ich ja auch nicht jeden Tag gearbeitet habe, also bewusst nicht, um die Klausuren schreiben zu können.

Ist das denn tatsächlich einen Ausnahme, dass man als Student in die Prostitution geht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen?

Buchcover "Fucking Berlin"
"Fucking Berlin": Der Roman schildert das Leben zwischen Rotlichtmileu und universitärer Lerngruppe

Ich hab während meiner Karriere – also sozusagen "Karriere" – als Prostituierte schon andere Frauen kennengelernt, die entweder studiert haben, Studienpläne hatten oder eine Ausbildung gemacht haben. Ich denke, heutzutage ist es nicht mehr so außergewöhnlich, auch wenn man nicht gerne darüber redet, weil immer mehr junge Menschen ohne Geld dasitzen. Aber natürlich redet man in der Uni nicht so darüber. Ich hätte nie zu einem Kommilitonen gehen können und sagen: "Hey, hast Du auch schonmal im Puff gearbeitet?". Das hätte ich nie gemacht.

Sie waren damit also tatsächlich alleine? Sie waren in einer parallelen Welt sozusagen?

Ja, genau. Ich hätte nie über dieses Thema sprechen wollen, weil ich doch Angst gehabt hätte, dass mich die Leute dann aus der Gruppe ausschließen, dass sie mich komisch betrachten, dass sie irgendwelche komischen Fragen stellen oder noch schlimmer, dass die Sache sich herumspricht. Man weiß ja, gerade in der Uni-Welt sind Netzwerke total wichtig und dass ich dann kein Praktikum oder keinen Job mehr kriege später, weil alle wissen: "Aha. Die hat im Puff gearbeitet. Die kann nichts anderes, als die Beine breit machen." Von daher wollte ich nie, dass das jemand weiß.

Würden Sie diesen Job weiterempfehlen?

Ja, sicherlich – wenn eine Frau den nötigen Mut hat, bereit ist, ihre Intimität mit fremden Männern zu teilen. Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Aber wenn man über seinen Schatten springen kann, ist es schon sehr lukrativ. Es ist aber kein Job fürs Leben. Ich bin auch froh, dass ich das jetzt letztendlich nicht mehr mache. Es ist ok, wenn man das als Mittel zum Zweck benutzt, aber man sollte das nicht als Haupttätigkeit machen für längere Zeit. Dann ist man vielleicht auch psychisch am Ende oder man verkraftet das nicht. Man braucht schon andere Ziele.

Das Interview führte Nadine Wojcik.

Sonia Rossi schildert in ihrem Roman "Fucking Berlin ihr Leben zwischen Universität und Rotlichtmilieu. Sie lebt in Berlin, studiert Mathematik, bringt morgens ihr Kind in die Kita und verkauft nebenher ihren Körper. Wie sich das Doppelleben gestaltet - darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben. "Fucking Berlin" ist im August 2008 im Ullstein Verlag erschienen.