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Vergessene Kongresswahl

Cem Sey2. November 2008

Angesichts der Präsidentschaftswahl gerät die Wahl eines neuen Kongresses in den USA beinahe in Vergessenheit. Dabei beeinflusst die Zusammensetzung des gesetzgebenden Organs direkt die Politik des neuen Präsidenten.

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Capitol Hill in Washington D.C. (Quelle: Illuscope)
Nicht nur ein neuer Präsident, auch der Kongress wird neu gewählt. Er tagt im Capitol in Washington D.C.Bild: Illuscope

Fast alle Beobachter sind sich einig, dass die US-Präsidentschaftswahl 2008 am 4. November eine historische ist. Nicht nur, weil ein schwarzer Kandidat erstmalig gute Chancen hat, ins Weiße Haus gewählt zu werden, sondern auch, weil ein Generationenwechsel möglich erscheint. Dabei droht eine andere Wahl, die am selben Tag stattfinden wird, übersehen zu werden: Die eines neuen Kongresses. Alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und 33 Senatoren werden neu gewählt.

Umfragen sehen die Demokraten vorn. Experten glauben sogar, dass der seit den 1960er Jahren anhaltende Trend zur republikanischen Mehrheit im Land gebrochen werden wird. Der Ausgang der Kongresswahlen wird auch großen Einfluss auf die Politik des nächsten Präsidenten haben.

Offensive Demokraten

Chris van Hollen
Will einen offensiven Wahlkampf: Chris van Hollen

Chris van Hollen, der neue Star der Demokratischen Partei und Mitglied im US-Kongress, leitet die Kampagne seiner Partei für die Wahlen zum Repräsentantenhaus. Wenn die Demokraten aus den Wahlen erfolgreich hervorgehen sollten, steht seiner Karriere nichts mehr im Wege. Van Hollen weiß, dass seine Chancen gut stehen.

Denn die Demokraten haben zum ersten Mal seit langer Zeit nicht nur die besseren Erfolgsaussichten, sondern auch mehr Geld in der Kasse, als ihre republikanischen Gegner. "Wir werden bei dieser Wahl offensiv bleiben", sagt van Hollen. Die Botschaft, welche die Demokraten vermitteln wollten, so van Hollen weiter, sei die, dass Barack Obama und Joe Biden eine arbeitsfähige Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat brauchen werden, um die Art von Wende - sei es im Gesundheitssystem, in der Energiepolitik oder in anderen Bereichen - durchsetzen zu können, die ihnen vorschwebt.

Hilfreiche Finanzkrise

Die aktuelle Finanzkrise gießt Wasser auf die Mühlen der demokratischen Kandidaten. Sie machen ihre Rivalen für die verfehlte Wirtschaftspolitik verantwortlich, für die steigende Arbeitslosigkeit und für die Zwangsversteigerung der Eigenheime. Der republikanische Abgeordnete Tom Davis, bis 2002 Leiter der republikanischen Wahlkampagnen, glaubt dennoch, dass die Wähler dafür die Demokraten abstrafen werden. "Das amerikanische Volk merkt, dass der Kongress unter der Kontrolle der Demokraten steht und diese heute vielleicht Anhörungen abhalten", ist sich Davis sicher und legt nach: "Aber wo waren sie vor zwölf Monaten, als diese Anhörungen einen Unterschied gemacht hätten?"

Anti-Republikaner-Gefühl dank Bush

Bush. Quelle: ap
Er hat sich viele Feinde gemacht: US-Präsident BushBild: ap

Der Wahlforscher John Fortier von der konservativen Washingtoner Denkfabrik American Enterprise Institute, widerspricht Davis. Fortier betont, dass nicht nur die Finanzkrise, sondern vor allem die allgemeine Unzufriedenheit mit dem jetzigen Präsidenten George W. Bush den Demokraten Auftrieb gibt. Schließlich gebe es immer noch ein Anti-Republikaner-Gefühl, das eigentlich von George Bush komme, und nicht so sehr daher, wer im Kongress das Sagen habe.

Längst spüren die Republikaner den Gegenwind. Mehrere Abgeordnete und Senatoren wollen nicht mehr kandidieren - mit der Folge, dass ihre Partei keine geeigneten Nachrücker für deren Wahlkreise finden konnte. Umfragen zeigen, dass die Wahlen am 4. November den Demokraten einen Erfolg bescheren könnten, den sie seit den 1960er Jahren nicht mehr errungen haben. Sie könnten nicht nur ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus um bis zu 20 Abgeordnete ausbauen. Sondern auch im Senat eine komfortable Mehrheit erlangen. Damit könnten sie dann Blockadeversuche der Republikaner aus eigener Kraft abwehren.

Traumkonstellation für Obama in Sicht

Kongress Archivfoto. Quelle: dpa
Die Kongressmitglieder setzen sich aus 100 Senatoren und 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses zusammenBild: picture-alliance/dpa

Und dann gibt es da noch den Obama-Effekt. Fortier meint, dass dadurch sogar die eigentlich für die Republikaner sicheren Südstaaten die Seiten wechseln könnten. "Wenn Obama die Kluft durch die außerordentliche Wahlbeteiligung der Afroamerikaner verringern kann, dann könnten diese afroamerikanischen Neuwähler auch für demokratische Senats- und Abgeordnetenhauskandidaten stimmen", glaubt er. Das Ergebnis könnte sein, dass diese Charakteristik der Obama-Wähler, im Süden und in anderen Regionen die Kongresswahlen beeinflusse.

Wenn die Demokraten tatsächlich den prophezeiten Wahlerfolg erringen, würde das einem republikanischen Präsidenten John McCain das Regieren erschweren. Für einen demokratischen Präsidenten Obama wäre es hingegen eine Traumkonstellation. Dann hätte er die Möglichkeit, die von ihm angekündigte Politik des Wechsels sehr schnell und ohne Widerstand durchzuziehen.