1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Große Zeitungskrise

Benjamin Stahl30. Oktober 2008

Den US-Zeitungen laufen die Leser reihenweise davon. Angesichts sinkender Auflagenzahlen entlassen einige große Blätter Mitarbeiter. Eine überregionale Tageszeitung aus Boston wählte einen anderen Weg aus der Krise.

https://p.dw.com/p/Fjj9
Zeitungskiosk in New York (Quelle: AP Photo/Bebeto Matthews)
Immer weniger Amerikaner kaufen sich regelmäßig eine ZeitungBild: AP

Die traditionell hoch profitablen Zeitungen der USA stecken derzeit in der Krise. Die Auflagen sinken seit Jahren und mit dem Internet sehen sich die Print-Medien einem übermächtigen Konkurrenten um Leser und Anzeigen ausgesetzt. Wie das Audit Bureau of Circulations (ABC) - ein Institut, das Auflage und Reichweite von Zeitungen ermittelt - am Montag (27.10.2008) bekanntgab, sank im vergangenen halben Jahr die Auflagenzahl der 507 US-Tageszeitungen um fast fünf Prozent.

Ausgabe der "USA Today" (Quelle: AP Photo/Mark Lennihan)
Die "USA Today" ist der Primus unter den US-ZeitungenBild: AP

Auch die größten Zeitungen des Landes bleiben laut ABC von der Krise nicht verschont. Die Auflage der "Washington Post" sank um knapp zwei Prozent, die der "New York Times" um über drei Prozent und die "Los Angeles Times" verlor gut fünf Prozent.

Dagegen konnten "USA Today" und das "Wall Street Journal" ein leichtes Plus verbuchen und bleiben mit mehr als zwei Millionen gedruckten Exemplaren pro Tag die auflagenstärksten Tageszeitungen der USA.

Stellenabbau angekündigt

Angesichts der Leserflucht kündigte "Los Angeles Times"-Herausgeber Ross Stanton einen ersten Personalabbau an. "Ich bedaure es zutiefst mitteilen zu müssen, dass 75 unserer Freunde, Kollegen und fähigen Redaktionsmitglieder ihre Jobs verlieren werden", sagte er noch am Tag der Bekanntgabe der alarmierenden Bilanz.

Amerikaner in U-Bahn mit Zeitung (AP Photo/Josh Reynolds)
Gehört das Bild des zeitunglesenden Amerikaners bald der Vergangenheit an?Bild: AP

Auch das Verlagshaus "Gannett", in dem unter anderem die nach wie vor erfolgreiche "USA Today" erscheint, wird Stellenstreichungen nicht vermeiden können. "Wir werden in der ersten Dezemberwoche unsere Zeitungsredaktionen um etwa zehn Prozent verkleinern", bedauerte "Gannett"-Präsident Robert Dickey in einer Mitteilung vom Dienstag an die Herausgeber der einzelnen Zeitungen des Verlags. Die Schuld an der Misere der Zeitungen, gab Dickey auch der Finanzkrise, die sich immer weiter verschärfe, sowie der kränkelnden Wirtschaft. "Dieser Abwärtstrend setzt unseren Einkünften empfindlich zu", sagte er. Der Verlag, der bereits im August mehrere Mitarbeiter entließ, büßte im dritten Quartal 2008 fast ein Drittel seines Umsatzes ein, der damit auf 158 Millionen Dollar fiel.

100 Jahre alte Zeitung nur noch online

Andere Konsequenzen zog der renommierte und mehrfach Pulitzer-Preis-gekrönte "Christian Science Monitor". Die bereits 1908 gegründete überregionale Tageszeitung mit Sitz in Boston wird als erstes großes US-amerikanisches Blatt ab April 2009 an Werktagen nur noch online zu lesen sein. Gleichzeitig soll eine neue gedruckte Sonntagsausgabe erscheinen.

Dieser Schritt ermögliche es, so Chefredakteurin Mary Trammell am Dienstag in dem Blatt, die Rolle des "Monitors" in dessen zweitem Jahrhundert zu sichern und auszubauen. Nach Angaben der Zeitung, wird die Website derzeit rund drei Millionen Mal pro Monat angewählt. In den kommenden Jahren hofft das Blatt, diese Zahl auf 20 bis 30 Millionen steigern zu können.

Sich den Konkurrenten Internet zu Nutze machen

Obwohl die Auflage des traditionsreichen Blattes schon seit 1970 von damals 200.000 auf jetzt ungefähr 52.000 gesunken ist, und die Zeitung im letzten halben Jahr ein dickes Minus von 19 Millionen Dollar hinnehmen musste, sind keine Einsparungen im Personalbereich geplant. Stattdessen seien durch die Kosteneinsparungen durch das Einstellen der gedruckten Werktagsausgaben selbst die Jobs der acht relativ teuren Auslandkorrespondenten gesichert, so Trammell weiter.

Doch nicht nur durch die Kostenreduzierung will sich der "Monitor" das Internet zu Nutze machen. "Wir wollen von allen Vorteilen, die das Internet bietet, profitieren", erklärte Judy Wolff, Vorsitzende des Kuratoriums der Christian Science Verlagsgesellschaft, in derselben Ausgabe der Zeitung. Man wolle den Journalismus des "Monitor" schneller an den Leser bringen, sowie Aktualität und Bedeutung der Zeitung erhöhen.