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Ende einer Legende

Klaus Gehrke31. Oktober 2008

Vor 85 Jahren hob die erste Maschine vom Tempelhofer Flugplatz ab. Nun soll der bedeutende Berliner Flughafen entgültig aus dem Verkehr gezogen werden. Ein Stück Geschichte geht zu Ende.

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Ein "Rosinenbomber" auf dem Flugfeld des Flughafens Tempelhof in Berlin (Quelle: AP)
Der historische Flughafen Tempelhof in Berlin - hier landeten die "Rosinenbomer"Bild: AP

Der Himmel über Berlin ist schlecht gelaunt am 4. Dezember 1937: Aus einer geschlossenen Wolkendecke fällt Nieselregen auf die versammelte Festgesellschaft. Doch das stört niemanden: Immerhin geht es hier um eines der größten und repräsentativsten Bauvorhaben des dritten Reiches - den neuen Flughafen Tempelhof.

Einst war das Tempelhofer Feld, vier Kilometer vor den Toren Berlins gelegen, ein Exerzierplatz. Doch nachdem die Gebrüder Wright hier die erstaunlichen Künste ihrer Flugapparate vorgeführt hatten, begannen sich die Berliner Stadtväter für einen möglichen Flugplatz zu interessieren. 1927 entstand das erste Fluggelände. Auf dessen Fläche wurde dann nur zehn Jahre später das Großprojekt Flughafen Tempelhof in Angriff genommen.

Nicht irgendein Flughafen

Flughafen Tempelhof in Berlin (Quelle: AP)
Luftaufnahme des Flughafen TempelhofBild: picture-alliance/dpa

Klotzen, nicht kleckern: Das war die Devise des Architekten Ernst Sagebiel, der genau wusste, was die nationalsozialistische Führung liebte. 1935 hatte er den heute noch bestehenden Bau des ehemaligen Reichsluftfahrtsministeriums entworfen, den ersten Berliner Großbau des Dritten Reiches. Die Pläne für den neuen Flughafen Tempelhof stimmte Sagebiel möglicherweise mit Adolf Hitler ab, der entscheidenden Einfluss auf das Projekt der riesigen bogenförmigen Anlage gehabt haben soll.

Eines war von vornherein klar: Tempelhof sollte nicht irgendein Flughafen werden. Und so konnte Sagebiel beim Richtfest 1937 stolz verkünden: "Hier draußen und ebenso in den Werken schaffen Tausende fleißiger Männer, um Deutschland den größten und schönsten Flughafen der Welt zu geben.“

Schneller Bau

Tempelhof von außen. Quelle: ap
Hübsch oder hässlich? Tempelhof gilt als Stück ZeitgeschichteBild: dpa

Auch die logistische Leistung, die dahinter stand, war immens - immerhin hatte man mit dem voluminösen Bauprojekt nicht irgendwo auf der grünen Wiese begonnen, sondern auf dem Areal des alten Flughafens. Dessen Anlage war den rasant gestiegenen Anforderungen im Luftverkehr längst nicht mehr gewachsen. 1936 erfolgte der erste Spatenstich zum neuen Flughafengebäude. Dieses wuchs innerhalb von nur eineinhalb Jahren um das alte herum - und das bei laufendem Flugbetrieb.

Größtes Gebäude der Welt

Tempelhof Schalterhalle. Quelle: ap
Nationalsozialistischer PrunkbauBild: AP

In dieser Zeit schufteten über 6000 Arbeiter fast rund um die Uhr an dem Projekt, dessen Ausmaße für die damalige Zeit gigantisch waren: Mit einer Bruttogeschossfläche von 284.000 Quadratmetern und einer Gesamtlänge von 1,2 Kilometern konnte der Bau für sich in Anspruch nehmen, das flächengrößte und längste Gebäude der Welt zu sein. Für Reichsluftmarschall Hermann Göring war der neue Tempelhofer Flughafen mehr als nur ein repräsentatives Eingangsportal für das ‚Neue Deutschland’: "In diesen Bauten liegt auch der Beweis für unser neues Reich", erklärte Göring.

Legendäre Luftbrücke

Wirkliche Berühmtheit erlangte der Tempelhofer Flughafen allerdings nicht als Entree eines größenwahnsinnigen Staates, sondern vielmehr als lebensrettendes Tor für eine eingeschlossene Stadt: Als am 20. Juni 1948 in den drei deutschen Westzonen die D-Mark eingeführt wurde, reagierte die sowjetische Regierung umgehend mit einer Blockade sämtlicher Landverbindungen in die Berliner Westsektoren. Daraufhin entschlossen sich die amerikanischen und britischen Besatzungsmächte kurzerhand, die eingeschlossenen Bewohner aus der Luft zu versorgen.

US Bomber setzt 1948 zur Landung in Berlin Tempelhof an (Quelle: AP)
Von den Berliner Kindern freudig erwartet: Die Rosinenbomber bei der Berliner LuftbrückeBild: AP

"Berlins Versorgung in den Westsektoren gesichert", "Volle Versorgung auf dem Luftwege", "Luftbrücke geschlagen" - das waren die Schlagzeilen in den Berliner Morgenzeitungen. Innerhalb von elf Monaten brachten die Flugzeuge der Amerikaner und Briten über die so genannte "Luftbrücke" zwei Millionen Tonnen Verpflegung und Brennstoffe in das eingeschlossene West-Berlin. Ihren Spitznamen "Rosinenbomber" bekamen die Flieger übrigens durch die Süßigkeiten, die die Piloten beim Anflug auf die Stadt in Taschentüchern verpackt aus den Fenstern warfen.

Der Flughafen Tempelhof nahm bei dieser Aktion eine zentrale Stellung ein, da er am dichtesten zur Innenstadt lag. Zeitweilig starteten und landeten hier die Flugzeuge im 90-Sekundentakt. Damit wurde Tempelhof zu einem deutschen Nachkriegsmythos - und ab 1951 wieder zur Drehscheibe des internationalen Flugverkehrs von und nach West-Berlin.

"Mutter aller Flughäfen"

Schönefeld. Quelle: ap
Die internationalen Maschinen landen heute in Berlin SchönefeldBild: AP

Diese Funktion hat heute der neue Terminal in Schönefeld übernommen. Trotzdem bleibt Ernst Sagebiels Monumentalbau in Tempelhof ein mehr als nur architektonisch beeindruckendes Zeugnis. Denn hier entstand erstmals ein multifunktionales Gebäude, das neben der Abwicklung des gesamten Passagier- und Frachtverkehrs auch Hotels, Kongresszentren, Großrestaurants und Fluglinienverwaltungen auf mehreren Ebenen Unterkunft bot.

Tempelhof wurde so zum Vorbild für heutige moderne Anlagen; der britische Stararchitekt Sir Norman Foster bezeichnete ihn 2004 ehrfürchtig-liebevoll als "Mutter aller Flughäfen". Falls die Schließung endgültig ist, verliert Berlin nicht nur ein historisches Flugfeld, sondern auch eine zentrale Anbindung: Mit weit über 20 Kilometern liegt der neue Flughafen Schönefeld tatsächlich "janz weit draußen" - wie der Berliner sagt.

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