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Was nun, Europa?

Das Interview führte Klaudia Pape20. Oktober 2008

Werden die Maßnahmen der EU-Regierungen gegen die Finanzkrise greifen? Wurde richtig reagiert? Daniel Gros, Direktor am Forschungszentrum für europäische Angelegenheiten in Brüssel, gibt im Interview Auskunft.

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Daniel Gros, Direktor am Forschungszentrum für europäische Angelegenheiten in Brüssel
Daniel Gros, Direktor am Forschungszentrum für europäische Angelegenheiten in Brüssel, im InterviewBild: CEPS

Fokus Europa: Herr Gros, in der Finanzkrise verfolgen alle EU-Mitglieder eine recht einheitliche Linie. Was halten Sie von solchen EU-weiten Maßnahmen?

Daniel Gros

: Die waren unabdingbar notwendig, denn ohne ein solches Paket, das gleichzeitig in allen Ländern aufgelegt wird, wäre es wohl nicht gelungen, die Finanzmärkte zu stabilisieren. Es hätte zu einem Zusammenbruch des europäischen Bankensystems kommen können und dann wäre die wirtschaftliche Lage noch katastrophaler als sie ohnehin schon ist. Das war also wirklich ein Schritt, der absolut notwendig war.

Das, was bisher in den Ländern umgesetzt wird, entspricht das dem, was sich die Staats- und Regierungschefs vorgestellt haben?

Im Großen und Ganzen ja, denn vor allem die wichtigsten Länder – also England, Deutschland und Frankreich – haben ja sehr große Pakete aufgelegt. Es kam zunächst darauf an, die Märkte zu stabilisieren, das Vertrauen wiederzugewinnen und das ist im Grunde genommen gelungen.

Also in der Krise scheint das europäische Wirtschaftsmodell an Strahlkraft zu gewinnen. Schweißt die Finanzkrise die europäischen Staaten zusammen?

Kurzfristig ist das durchaus der Fall, denn sie hatten ja einen ersten Anlauf vor drei Wochen, als es nicht gelang, sich zu einigen und dann waren die Märkte in Panik geraten und erst dann hat sich die EU dazu aufraffen können, etwas zu unternehmen. Kurzfristig sitzt die Angst vor einer Panik an den Märkten also sicher tief. Mittelfristig wird man sehen, ob das nicht zu einer Zersplitterung an den europäischen Finanzmärkten führt und damit zu ständigen Reibereien zwischen den einzelnen Regierungen in Europa, weil jetzt ja verschiedene Banken in Europa auf ganz verschiedene Art und Weise von ihren nationalen Regierungen unterstützt werden.

Bislang war es ja meistens so, dass die Kräfte der Finanzwelt eher das politische Handeln bestimmt haben. Erleben wir nun in Europa eine Wende? Ist die Politik dabei, eine neue Rolle in der Wirtschafts- und Finanzwelt zu erobern?

Ja, genau das ist der Fall und das ist unvermeidlich. Das passiert nach jeder großen Bankenkrise. Wenn die Regierung die Banken retten muss, dann bestimmt sie auch das Geschehen auf den Finanzmärkten – in manchen Fällen direkt, in anderen Fällen auf indirekte Art und Weise – aber es ist ganz klar, dass jetzt ein Zeitalter einer sehr viel stärkeren Regulierung auf die gesamte Finanzwelt zukommt.

Nun sind schon die nächsten Gipfel geplant. Die EU und die USA wollen mit einer ganzen Serie von Weltfinanzgipfeln die aktuelle Bankenkrise bewältigen. Bislang lagen in dieser Sache Welten zwischen Europäern und Amerikanern. Für wie erfolgversprechend halten Sie eine solche Gipfelserie?

Ich glaube, dass es verfehlt ist, eine solche Serie jetzt in aller Eile anzusetzen. Denn zunächst sind wir immer noch dabei, diese akute Krise zu bewältigen. Wie das System der Regulierung aussehen soll, nachdem die Krise vorbei ist, dafür haben wir sicher noch Zeit uns das etwas besser zu überlegen und auch näher zueinander zu kommen zwischen Europa, zwischen Amerika, vielleicht auch dem Rest der Welt. Aber es gilt immer noch für uns darauf zu sehen: Können wir die Schäden dieser Krise begrenzen? Und da gibt es noch sehr viel zu tun in Europa, in Amerika, aber dazu brauch man keine Gipfel.