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Bambini ganz unten

Karl Hoffmann21. September 2008

In Italien lahmt seit Jahren die Wirtschaft und der private Konsum stottert. Das lässt sich im "Land der Bambini" auch an den Kindergesichtern ablesen, denn vor allem im Süden des Landes ist Kinderarmut allgegenwärtig.

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Frau mit Kind auf der Straße vor einem Schaufenster in Florenz
16 bis 25 Prozent der Kinder in Italien leben unterhalb der ArmutsgrenzeBild: picture-alliance/dpa

Auf der Piazza Marina in der Altstadt von Palermo steht ein verwunschenes altes Häuschen. Die Kinder, die hier leben, lieben es. Auch jetzt toben sie um das Häuschen herum und verstecken sich darin. Die Kinder sind laut, es wird rüde gerempelt – und einige scheinen schon seit langem keine Dusche mehr von innen gesehen zu haben.

Immer um sie herum ist Serafina Moncada, eine energische Italienerin, die bereits seit zwölf Jahren mit Kindern und Jugendlichen in der Altstadt von Palermo arbeitet. Hier betreibt sie eine Kindertagesstätte. In der Altstadt leben noch viele Familien, deren einziger Reichtum die zahlreichen Kinder sind. Und jeden Tag steht sie dort fassungslos vor Kindern mit Läusen und dreckverschmierten Gesichtern. "Wir waschen sie erst einmal und reden mit den Eltern", sagt Moncada. Für Serafina Moncada steht eines im Mittelpunkt – der Schutz der Kinder.

Keine Schläge, keine Knallkörper und Respekt

Pizza auf einem Teller
Volle Teller gibt es in Italien längst nicht mehr für jedes KindBild: AP

Serafina muss den Kindern nicht selten erst einmal die fundamentalen Regeln des Miteinanders beibringen, wie sie sagt. Nicht stehlen, keine Fenster einschlagen, Knallkörper nicht in Menschenmengen schmeißen, es gibt wenig, was Serafina Moncada nicht schon erlebt hätte. Mit ihrer umgänglichen Art hat sie aus ihrer Tagesstätte ein richtiges Vorzeigeprojekt gemacht. Ihr ist es gelungen, auch Kinder aus stabilen und gut funktionierenden Elternhäusern zu gewinnen. Selbst der sprachliche Umgang untereinander hat sich deutlich verbessert.

Leider sind Initiativen wie diese in Italien selten. Im Land der "Bambini" fehlt es an einer effektiven Familienpolitik und an einem wirksamen Kinderschutz. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge leben zwischen 16 und 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter der Armutsgrenze. In absoluten Zahlen sind das etwa drei Millionen junge Italiener. Einer UNICEF-Studie zufolge ist Italien das Land mit der größten Kinderarmut in Europa. Die meisten armen Kinder leben dabei im Süden des Landes und kommen aus kinderreichen Familien. Mit ein Grund für die Armut sei, dass die Menschen ihre Rechte nicht in Anspruch nähmen, sagt Serafina Moncada. "Wenn die Leute wüssten, dass sie zum Beispiel die Kosten für Medikamente nicht selbst aufbringen müssen und selbst Wohngeld beantragen können, wären viele nicht in einer so schlimmen Lage", ist sich die Sozialarbeiterin sicher.

Viele wissen von den Hilfsangeboten nichts

Eine Familie mit zwei Kindern bei einem Spaziergang (30.8.2003/dpa)
Geringes Kindergeld und teure Kindergartenplätze machen es jungen Familien schwerBild: dpa - Bildfunk

Es ist aber nicht viel Geld, um das es geht. Anders als andere Länder in Europa unterstützt Italien seine jungen Familien kaum. Das Kindergeld ist gering und Kindergartenplätze sind teuer. Vor allem die Menschen in Süditalien stehen jeden Tag vor einer neuen Herausforderung. Hier verdient man wenig - und zahlt in den Geschäften die gleichen Preise wie andernorts auch. Serafina Moncada fragt sich, warum der Staat nicht mehr dafür tut, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen. Eng verbunden mit den mangelnden Perspektiven sei die Kriminalität. Viele Kinder kämen aus Elternhäusern, in denen die Väter bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Ohne Hilfe von außen sei der Weg vieler dieser Kinder vorgezeichnet. Das einzige Mittel dagegen: eine wirkliche Kinderarbeit, am besten in den Familien.