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Die Ernte - Was von der Mauer übrig blieb

Die mecklenburgische Gemeinde Klein Vielen wird aus dem Schlaf gerissen. Es ist der Sommer 1990, und die DDR löst sich auf. Auch in der Provinz…Die zweiteilige Dokumentation gibt Einblicke in deutsch-deutsche Lebensläufe

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Auch dieses Jahr wird geerntet, Ernte 2008

Klein Vielen liegt in Mecklenburg-Vorpommern. Der Fall der Mauer schreckt das Dorf aus dem Schlaf. Der DDR-Staat löst sich auf und von heut auf morgen scheinen mit der Diktatur auch einige Gewissheiten über Bord zu gehen.

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Klein Vielen

Der Kameramann Pitt Venherm hat damals die Zeitenwende dokumentiert. Fast 20 Jahre später kehrt er mit Autor Dieter Roser an den Ort zurück, trifft sich und spricht mit den gleichen Menschen, die aber nicht mehr die selben sind.

Einst bestimmte die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, die LPG, das Dorfleben von Klein Vielen. Hier gab es Arbeitsplätze und die Menschen glaubten sie für immer zu haben. Heute gibt es die LPG nicht mehr, aber es gibt eine privatwirtschaftliche Nachfolge-Agrargenossenschaft, die mit einem Bruchteil an Personal und mit einem modernisierten Fuhrpark nahezu die gleich große Fläche an Land bewirtschaftet.

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Dirk Evert, Sigmar Hartz und Lothar Brandt erinnern sich

Sigmar Hartz arbeitete bis zur Wende in der LPG. Er war "Traktorist" oder "Erntekapitän", wie die Männer auf ihren Mähdreschern im DDR-Jargon hießen. Nach dem Mauerfall erfüllte er sich einen Traum und wurde LKW-Fahrer, bis er den Job verlor. Heute sitzt er wieder auf dem Mähdrescher, denn auch im Sommer 2008 wird in Klein Vielen geerntet. "Alles, das ganze Leben habe sich durch den Mauerfall geändert", sagt er heute.

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Sigmar Hartz sitzt wieder im Mähdrescher

Hartmut Lembke war in der LPG Abteilungsleiter, damals noch keine Dreißig, heute hat er viele und nicht nur gute Erfahrungen im wiedervereinigten Deutschland gemacht. Er arbeitet auf einem Hotelschiff und zeigt dänischen Touristen seine schöne mecklenburgische Heimat. Er sei "Ost-Deutscher", auch heute noch, bekennt Hartmut Lembke. Aber zurück wolle er die Mauer auch nicht haben. Reisen können, wohin man will, das war in der DDR nicht möglich… Und da gibt es noch Olaf Schulz, der vom Arbeiter in der LPG zum erfolgreichen Fuhrunternehmer aufgestiegen ist oder etwa Ulrike Böker, die nach der Wende ihre Arbeit als "Traktoristin" verlor und im Arbeitsleben nie mehr wieder richtig Fuß fassen konnte.

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Hartmut Lembke zeigt den Touristen seine mecklenburgische Heimat
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Hartmut Lembke 1990 als Abteilungsleiter der LPG

Auch das Dorfleben hat sich sehr verändert. Früher war der Konsum-Laden der Ort, wo man sich zum Einkauf und Tratsch traf. Den Konsum gibt es schon lange nicht mehr. Inge und Georg Mittelstädt, die ehemaligen Betreiber, sind mittlerweile Rentner und haben viel zu erzählen. Auf dem alljährlich stattfindenden Dorffest treffen sich die Klein Vielener und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit lebt wieder auf, das sie im Alltag verloren glauben.

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Waren mit ihrem Konsum-Laden der Mittelpunkt des Dorfes: Inge und Georg Mittelstädt

Die zweiteilige Dokumentation mischt Filmmaterial von 1990 mit neu gedrehtem Material. In ruhigen, schönen Bildern zeigt sie die ehemalige DDR-Provinz und gibt Einblicke in Lebensläufe, die viel über deutsch-deutsche Befindlichkeiten, aber noch mehr über Menschen, über Hoffnung, Enttäuschung, Glück und Leid erzählen.

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Inge und Georg Mittelstädt heute