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Kampf gegen Ikonen

Keno Verseck 27. August 2008

Heiligenbilder und Kreuze gehören zum Alltag in Rumäniens Klassenzimmern, wo die orthodoxe Kirche großen Einfluss hat. Der Philosophielehrer Emil Moise aus der rumänischen Stadt Buzau versucht dagegen anzukämpfen.

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Ikone "Die Kreuzverehrung" (Staatliches Kulturhistorisches Museum "Moskauer Kreml")
Die meisten Schüler stört es nicht, dass an den Wänden Heiligenbilder hängenBild: Staatliches kulturhistorisches Museum

Laut und lebhaft geht es meistens zu im Philosophie-Unterricht von Emil Moise, so auch an diesem Vormittag. Die Schüler der neunten Klasse des Landwirtschaftskollegs Dr. Angelescu in der südostrumänischen Stadt Buzau müssen nicht stramm stehen, wenn Moise im Klassenraum erscheint. Er diktiert wenig, dafür regt er viele Diskussionen an.

"Ikonen dogmatisieren"

Ikonen des Heiligen Nikolaus in Anatolien, Türkei
Emil Moise hat die orthodoxen Heiligenbilder abgenommenBild: picture-alliance / Godong

Und noch etwas fällt im Klassenraum des 39-jährigen Lehrers auf: An den Wänden hängen keine Ikonen. Moise hat die orthodoxen Heiligenbilder abgenommen. Seiner Meinung nach beeinträchtigen religiöse Symbole in der Schule nicht nur die Kinder anderer Konfessionen, sondern alle Kinder, auch die orthodox-christlichen. "Sie dogmatisieren. Das aber kann nicht Ziel der Schule sein. Mehr noch: Es ist der öffentlichen Einrichtung Schule verboten, zu dogmatisieren."

Die Schüler kennen Moises Haltung zur Ikonenfrage, schließlich ist er damit in ganz Rumänien bekannt geworden. Seit fast vier Jahren streitet er vor rumänischen Gerichten dafür, dass Ikonen aus Schulen entfernt werden. Mitte Juni allerdings wies der Kassationsgerichtshof in Bukarest die Ikonen-Klage zurück. Dieses Urteil will Moise nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten.

Grundschüler fürchten den Teufel

Der Grund für seine Beharrlichkeit: Staat und Kirche sind in Rumänien nur auf dem Papier strikt getrennt. In der Praxis agiert die Kirche oft wie eine nationale Behörde für Moral und Anstand und bestimmt Form und Inhalt des Religionsunterrichts weitgehend mit. Viele Menschen im Land empfinden das als normal, und lange Zeit ging es auch Moise so. Bis seine Tochter Teodora vor sieben Jahren eingeschult wurde.

Eines Abend sei sie aus der Schule gekommen und habe ihn um Geld für eine Halskette mit einem Kreuz gebeten. "Sie erzählte, die Religionslehrerin hätte im Unterricht gesagt, dass der Teufel erscheinen und viele schlimme Sachen passieren würden, wenn man kein Kreuz trägt." Moise stellte die Lehrerin zur Rede, diese wehrte aber ab: "Mit ihnen diskutiere ich nicht, ich diskutiere nur mit der Jungfrau Maria", erinnert sich Moise.

Feinde und handfeste Drohungen

Die zwölfjährige Mona Stanescu arbeitet während einer Mathematikstunde nördlich von Bukarest (11.2.2002/dpa)
Die Kirche bestimmt Form und Inhalt des Religionsunterrichts weitgehend mitBild: dpa

Moise ist an seiner Schule einer der beliebtesten Lehrer, jedoch weniger wegen der Ikonenfrage. Die meisten Schüler stört es nicht, dass an den Wänden Heiligenbilder hängen. Aber es imponiert ihnen, dass Moise offen gegen ein ganzes System aufbegehrt. Häufig ist er Gast in Fernsehtalkshows und spricht dort auch über andere Probleme im Schulwesen: Über die verbotene aber übliche Praxis, Schüler zu züchtigen, oder über die Korruption im Bildungswesen. Unter Kollegen hat sich Moise so Feinde gemacht. Manche Lehrer grüßen ihn nicht mehr.

Auch Schikanen und Drohungen gehören für ihn beinahe schon zum Alltag. So habe ihm zum Beispiel der Berater des Bischofs des Kirchenbezirks ausrichten lassen, er hätte für Moise einen Platz auf dem Friedhof reserviert und dieser solle ihn doch bitte auch nutzen. Von der Chefin seiner Frau habe ein anonymer Anrufer gefordert, sie solle die Frau entlassen, weil diese in einer Familie von ungläubigen Schurken lebe, die gegen Gott kämpfen. "Ähnliche Dinge sind reihenweise geschehen, zudem werde ich oft vom Schulamt kontrolliert. Dabei verlange ich doch nur, dass die Gesetze eingehalten werden."