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Georgien und die EU: Wie geht es weiter in den Konfliktregionen?

14. August 2008

Georgien und Russland haben den von der EU geplanten Friedensplan für den Kaukasus angenommen. Die EU-Außenminister zogen am Mittwoch eine erste Bilanz. Ein Interview mit dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn.

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Jean Asselborn
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn diskutierte mit seinen europäischen Kollegen über die Lage im KaukasusBild: AP

Euranet: Herr Asselborn, Sie haben am Mittwoch mehrere Stunden mit ihren europäischen Kollegen über die Lage im Kaukasus diskutiert. Die Rede war von einer europäischen Friedenstruppe. Was genau verbirgt sich denn dahinter?

Jean Asselborn: Das ist natürlich die interessanteste Frage: Wie kann die Europäische Union sich einbringen? Wir müssen in dem Land präsent sein. Wie können wir aber präsent sein? Wir können jetzt an zwei, drei Sachen denken. Zum Beispiel können wir Monitoring machen, also Polizisten dahin schicken, die dann unter der europäischen Flagge organisiert sind, um zu kontrollieren...

Aber keine Truppen, keine Soldaten?

Wenn es Truppen sind - das ist das zweite, was ich sagen wollte - dann muss es, glaube ich jedenfalls, schon im Rahmen der UNO beschlossen werden.

Karte Konflikt in Georgien Stand:12.08.2008
Karte Konflikt in Georgien Stand:11.08.2008 Karte Kaukasus Georgien mit den Teilrepubliken Abchasien und Südossetien deutsch Zusätzlich mit den Städten: Poti und Gori und Kodori-Tal

Welchen Standpunkt hat denn die EU zum künftigen Status der offiziell zu Georgien gehörenden Provinzen Südossetien und Abchasien?

Wir haben vermieden darüber zu reden und ich werde es auch vermeiden, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Das ist einer der Punkte, bei dem wir gesagt haben, dass wir uns als Europäische Union selbstverständlich einbringen in eine Verhandlung, in eine Art Mediation, in eine Vermittlung. Und wir haben von vornherein gesagt, was damit geschehen soll. Ich glaube, wir halten auf jeden Fall an der Integrität des georgischen Territoriums fest.

Nicht eindeutig festlegen zur Statusfrage, aber waren sich denn die Außenminister einig in der Beurteilung der Schuldfrage?

Nein, die Schuldfrage haben wir vermieden. Wenn wir uns jetzt in Schuldfragen verlieren, dann wäre unheimlich viel Zeit verloren gewesen. Wir hätten uns da nie geeinigt und das hätte auch nichts gebracht. Ich glaube, wir sind keine Richter in der Europäischen Union.

Aber einige Länder, insbesondere das Baltikum und Polen, haben deutlich Solidarität mit Georgien demonstriert, während beispielsweise der deutsche Außenminister davor gewarnt hatte, Russland jetzt vorschnell zu verurteilen. Was bedeutet das denn für das geplante neue Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland?

Russischer Panzer mit Soldaten in Abchasien (10. 08. 2008/AP)
Asselborn will an der Partnerschaft mit Russland festhalten - trotz der Ereignisse in GeorgienBild: AP

Aus meiner Sicht wäre es fatal, wenn wir dieses Partnerschaftsabkommen abbrechen würden. Ich finde es nicht hundertprozentig schlimm, dass die baltischen Länder und Polen diesen Auftritt hatten. Man hat trotzdem auch gesehen und gefühlt, dass die Präsidentschaft – das ist jetzt Frankreich, das hätte auch ein anderes Land sein können, das im Namen der Europäischen Union gesprochen hat – trotzdem das Sagen hat.

Und wir müssen auch wissen, dass wir politisch überhaupt kein Interesse daran haben, dass wir uns ducken müssen, wenn zwischen Amerika und Russland die Bälle hin und her fliegen. Mit unserer Solidarität, die wir dann natürlich auch beweisen müssen, müssen wir zeigen, dass wir auch wer sind. Die Europäische Union hat mehr Einwohner als Russland und Amerika zusammen. Wir sind wirtschaftlich ein wichtiger Faktor. Wir sind auch politisch, wenn wir kohärent sind, ein sehr wichtiger Faktor. Wir als Europäische Union müssen an der Partnerschaft mit Russland festhalten, auch nach diesen Ereignissen, die jetzt geschehen sind und die uns selbstverständlich nicht gefallen. Wir müssen diese Partnerschaft ausbauen, so dass wir eines Tages erreichen, dass solche Situationen nicht mehr geschehen können.

Inwieweit kann denn die Europäische Union, so wie sie im Moment außenpolitisch organisiert ist, also ohne den Vertrag von Lissabon, überhaupt geschlossen und effizient agieren?

Flagge EU Georgien und Nato Symbolbild
Monitoring oder UNO-Truppen - Asselborn denkt über Lösungen für den Kaukasus nachBild: AP Graphics/DW

Die Europäische Union kann außenpolitisch auch ohne Lissabon kohärent auftreten. Und wir müssen auch wissen, dass sich mit Lissabon in der Außenpolitik nichts Fundamentales ändert. Die Außenpolitik wird in den nächsten zehn Jahren in der Europäischen Union immer das schwierigste Feld bleiben, auch mit dem Vertrag von Lissabon. Europäische Außenpolitik ist mehr als eine Addition nationaler Interessen. Das ist eine Sache von politischem Willen, das ist keine Sache eines Vertrages. Daran müssen wir arbeiten und daran müssen wir uns auch messen lassen. Ich glaube nicht, dass hier mit oder ohne Vertrag von Lissabon die Europäische Union besser oder schlechter hätte antworten können. Ich glaube, in diesem Fall hat sie ohne Lissabon sehr gut geantwortet und war präsent und ich glaube, dass wir als Außenminister auch unseren kleinen Teil dazu beigetragen haben, eine Position auszuarbeiten, die trotzdem auf den Füßen steht.

Das Interview führte Susanne Henn.