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Verdacht auf Korruption – schwere Vorwürfe gegen die Leitung des bulgarischen AKW-Kosloduj

Emiliyan Lilov13. August 2008

Im bulgarischen Atomkraftwerk in Kosloduj wird ein neuer russischer und potenziell gefährlicher Brennstoff eingesetzt. Das behauptet ein bulgarischer Atomphysiker, der Sicherheitsrisiken am bulgarischen AKW ortete.

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Der Reaktor Nr. V des 200 Kilometer nördlich der bulgarischen Hauptstadt Sofia liegenden Atomkraftwerks "Kosloduj" (09.11.2006/dpa)
Im Frühjahr 2006 versagte im Block Fünf von "Kosloduj" das SchnellabschaltesystemBild: picture-alliance/dpa

Mit mindestens zwei schweren Störfällen ist das Kernkraftwerk Kosloduj in den vergangenen fünf Jahren in Europa in die Schlagzeilen geraten. Keine beruhigende Entwicklung in der Geschichte der bulgarischen Atomkraft, denn das Land wollte ganz vorne beim Geschäft mit Atomstrom mitmischen.

Strom im Überfluss

Techniker des 200 Kilometer nördlich der bulgarischen Hauptstadt Sofia liegenden Atomkraftwerks "Kosloduj", beobachten im Kontrollraum des Reaktors die Anzeigen (09.11.2006/dpa)
Die Mitarbeiter des Kraftwerks sind durch die Störfälle besonders gefährdetBild: picture-alliance/dpa

Tatsächlich bauten die Bulgaren in relativ kurzer Zeit sechs Kernreaktoren und begannen, Strom in Überschüssen zu produzieren, um davon zu profitieren. Und profitiert haben sie etwa dadurch, seit Jahren bulgarischer Strom in die "Adern" der boomenden Wirtschaft der Türkei fließt. Außerdem haben sich bulgarische Stromexporte im ganzen Südosteuropa-Raum schon längst etabliert.

Doch inzwischen sind von den ursprünglich sechs Reaktoren nur noch zwei in Betrieb geblieben. Die beiden ältesten wurden Anfang 2003 stillgelegt, zwei weitere, sowjetischer Bauart, wurden Anfang 2007 als Bedingung für den EU-Beitritt Bulgariens abgeschaltet.

Versagen der modernen Technik

Am Netz sind heute nur noch zwei Tausend-Megawatt-Blöcke einer modernisierten Serie. Sie scheinen aber auch nicht viel sicherer zu sein. So etwa versagte im Frühjahr 2006 im Block Fünf das Schnellabschaltesystem. Damals verglich der Ex-Chef der bulgarischen nuklearen Aufsichtsbehörde Georgi Kastschiev den Störfall mit einer "Autofahrt mit Vollgas ohne Bremse. "In der Tat arbeitete der Reaktor ohne Notfallschutz", so Kastschiev.

Nun hat erneut ein Kosloduj-Insider schwere Vorwürfe erhoben. Diesmal ist es der Atomphysiker Georgi Kotev, der seit 17 Jahren im bulgarischen AKW für die Begutachtung der Qualität von Nuklearstoffen zuständig ist. Er stellte weitere massive Sicherheitsrisiken fest und vermutet, dass minderwertige Brennstäbe zum Einsatz kommen.

Warnung vor der Katastrophe

Kontrollraum in Kosloduj (AKW Atomenergie)
Mit schweren Störfällen war das Kernkraftwerk Kosloduj in den SchlagzeilenBild: AP

Nach Meinung des Atomphysikers könne alles passieren, "Weil wir mit einem nicht bekannten Brennstoff zu tun haben". Mittlerweile ist Georgi untergetaucht, weil er Angst um sein Leben hat. Er verließ er das Land und weil niemand in Bulgarien auf ihn hören wollte, ging er ins Internet, um der Kraftwerksleitung in Kosloduj Korruption vorzuwerfen.

Für ihn kann es für das Auswechseln des Brennstoffes nur ein Motiv geben: finanzielle Interessen. Kotev geht davon aus, dass dem bulgarische AKW Kosloduj vom russischen Hersteller TVEL minderwertiger Brennstoff, im schlimmsten Fall gar recycelter und damit potenziell gefährlicher Brennstoff geliefert wurde.

Alles nur Übertreibung?

Sein ehemaliger Vorgesetzter, der ehemalige Direktor des Kosloduj-Kraftwerks, Ivan Ivanov bestreitet das. Er ist sicher, dass überhaupt kein Problem mit der Sicherheit des neuen Nuklearbrennstoffs bestünde. Seine eigene Familie lebe fünf Kilometer vom Kernkraftwerk entfernt. Da würde er nie seine Unterschrift unter Lieferungen unsicheren Brennstoffs setzen.

Inzwischen hat sich die Kraftwerksleitung-Kosloduj an die bulgarische nuklearen Aufsichtsbehörde mit der Bitte einer unabhängigen Überprüfung des atomaren Brennstoffes gewandt. Sergei Tzotschev, Direktor der Aufsichtsbehörde "Agentur für nukleare Regulierung" in Sofia, will deswegen eine internationale Organisation einladen, um die Frage zu klären, ob bei diesem Brennstoff recyceltes Uran verwendet wird.

Pläne aus der Schublade

Kühlstäbe in einem Nuklearreaktor in Nordkorea(10.02.2005/AP)
Der Atomphysiker vermutet finanzielle Interessen hinter dem Austausch der BrennstäbeBild: AP

Auf Anfrage der Deutschen Welle hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien bestätigt, dass ein entsprechendes Schreiben bei ihr eingegangen ist. Da die IAEA aber kein Mandat für solche Checks hat, habe sie die Bitte an eine kommerzielle Firma weitergeleitet. Trotz dieser Vorwürfe hält Bulgarien an seinen atomaren Plänen weiter fest.

Nach der Stillegung von vier Kosloduj-Reaktoren ist der Ersatz schon in Planung. Weniger als 100 km von Kosloduj entfernt soll ein neues AKW gebaut werden. Pläne zum Bau eines AKW am Standort Belene existieren seit 1985. Wegen Umweltprotesten, mangelnder Wirtschaftlichkeit und Sicherheitsbedenken wurde der Bau vorerst 1992 gestoppt. Zehn Jahre später wurde der umstrittene Plan wieder aus der Schublade geholt, und seit Mai 2004 ist der Bau eine beschlossene Sache.