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Interview

Das Interview führte Dirk Eckert8. August 2008

Der Streit um Südossetien muss politisch gelöst werden, sagt der ehemalige Bildungsminister von Georgien, Alexander Kartosia. Die territoriale Integrität von Georgien dürfe aber nicht infrage gestellt werden.

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Konfliktregion SüdossetienBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Georgien geht jetzt militärisch gegen das abtrünnige Südossetien vor. Lässt sich der Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen von Südossetien und Abchasien so lösen?

Alexander Kartosia: Nein, das ist auf keinen Fall eine Lösung des Konflikts. Man muss aber wissen, dass diese Militäroffensive nicht überraschend kam. Die Lage ist von Tag zu Tag eskaliert. Die georgische Regierung hatte der südossetischen De-facto-Regierung in den letzten Wochen mehrmals angeboten, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Mehrmals hat die südossetische Regierung das abgelehnt. Es ist schade, dass die georgische Seite sich provozieren ließ. Aber der tägliche Beschuss von der ossetischen Seite war für die Bewohner der betroffenen georgischen Dörfer unerträglich. Ich hoffe nur, dass es jetzt keine Todesopfer unter der friedlichen Bevölkerung in Südossetien gibt.

Wie lässt sich ein Krieg zwischen Georgien und Russland stoppen?

Der einzige vernünftige Schritt wäre, das Feuer einzustellen und auf keinen Fall die militärischen Auseinandersetzungen fortzusetzen. Das gilt sowohl für Russland als auch für Georgien. Jetzt muss man sich an den Tisch setzen und mit Verhandlungen beginnen.

Südossetien hat 2006 in einem Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt. Warum respektiert Georgien das nicht?

Da kollidieren zwei Prinzipien: Das Prinzip der Selbstbestimmung und das Grundprinzip der territorialen Integrität eines Staates. Südossetien ist ein Teil Georgiens, und das muss man respektieren. Der Fall Kosovo wäre übrigens keine Analogie: Da hat die Selbstbestimmung die entscheidende Rolle gespielt, aber dort wurde die ethnische Säuberung international festgestellt und anerkannt. Das ist in Südossetien nie der Fall gewesen. Insofern hat die territoriale Integrität für Georgien Vorrang.

Warum unterstützt Russland die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien?

Formal gesehen hat Russland das Recht, Südossetien unter Schutz zu nehmen, weil viele Bewohner dieser Region auch Staatsbürger der russischen Föderation sind. Der wirkliche Grund ist ein anderer: Georgien will in die NATO und in die Europäische Union. Russland will Georgien aber nicht freigeben und kann die pro-westlichen Bestrebungen Georgiens als ehemaligem Teil des sowjetischen Reiches nicht akzeptieren.

Alexander Kartosia war von 1998 bis 2004 Bildungsminister in Georgien und lehrt heute an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder.