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Russischer Banken-Boom

Erik Albrecht15. Juli 2008

Während die Banken in Europa und den USA immer noch mit der Finanzkrise kämpfen, haben Russlands Banken andere Probleme: Der Bankensektor wächst stürmisch. Doch die Branche ist auf ihren eigenen Boom nicht vorbereitet.

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Russische Geldscheine
Zu schnelles Wachstum, zu wenig Geld - das russische Finanz-ProblemBild: picture-alliance/ dpa

Vielleicht könnte Russlands Zentralbankchef Sergej Ignatjew doch noch Recht behalten mit seinen Worten. Er nannte Russland den ruhigen Hafen im Sturm der weltweiten Finanzkrise. Immer wieder warnten Analysten und Medien im vergangen halben Jahr vor Liquiditätsengpässen im russischen Bankensystem. Doch allen Unkenrufen zum Trotz hat sich der Finanzsektor des Landes von den weltweiten Turbulenzen kaum anstecken lassen.

Ein New Yorker Straßenschild mit der Aufschrift "Wall Street". Quelle: dpa
Eine Finanzkrise wie an der New Yorker Wall-Street gibt es in Russland nicht - im GegenteilBild: picture-alliance/ dpa

Die russische Zentralbank manövriere den Sektor klug und wachsam durch die weltweite Krise, lobte die Dresdner Bank in Moskau. Kein russisches Geldhaus ist im Zuge der Subprime-Krise Pleite gegangen. Im Gegenteil: "Es gibt einen positiven Effekt der weltweiten Finanzkrise, so seltsam das auch klingen mag", sagt Natalja Orlowa, Chefökonomin der russischen Alfa-Bank. "Viele russische Unternehmen haben wegen der Krise in Russland Kredite aufgenommen. Wenn sie auf den Kreditmarkt schauen, hat sich vor allem das Wachstum bei Unternehmenskrediten beschleunigt."

Stürmisches Wachstum

Allein im ersten Quartal 2008 ist der Umfang von Unternehmenskrediten um etwa 14 Prozent gestiegen - das sind umgerechnet immerhin 34 Milliarden Euro mehr. Aufs Jahr hochgerechnet, könnte der Markt um stolze 50 Prozent zulegen. Doch die russische Zentralbank sieht in dem stürmischen Wachstum zunehmend ein Problem.

Kunden vor einer russischen Bank
Ein zu schnelles Banken-Wachstum könnte noch schlimm enden, befürchtet RusslandBild: dpa

Das könne noch schlimm enden, warnte kürzlich Zentralbank-Vize Gennadi Melikjan. Ihn treibt dabei längst nicht nur die Sorge um die Stabilität des russischen Banksystems um. "In Russland geht die Diskussion in eine andere Richtung", sagt Natalja Orlowa. "Weil wir eine hohe Inflation haben, sind wir gezwungen, das Wachstum des Bankensektors zu bremsen. Denn die Kredite wachsen wirklich schnell und der Inflationsdruck kann dadurch nur noch zunehmen."

Spielverderber Inflation

Während in den USA der strauchelnde Bankensektor droht, die gesamte Wirtschaft in eine Rezession zu ziehen, geht es Russlands Finanzbranche fast schon zu gut. Der boomende Sektor bringt derzeit zuviel frisches Geld in die eh schon überhitzte Wirtschaft. Die Teuerung ist im vergangenen Jahr auf 14 Prozent geschnellt. Doch an der Zinsschraube zu drehen wie im Westen hilft in Russland kaum.

Eine russische Frau kauft Hühnerbeine auf dem Markt. Quelle: AP
Die Inflation lässt die Preise steigen - werden Lebensmittel teuer in Russland?Bild: AP

Die Zentralbank muss den Banken die Kreditvergabe mit anderen Mittel erschweren, um die Volkswirtschaft behutsam zu kühlen. Schon dreimal hat sie in diesem Jahr die Banken verpflichtet, größere Reserven zu bilden. Die Wirtschaft in Russland reagiere sehr unelastisch auf Änderungen des Zinssatzes, erklärt Orlowa. Es sei sehr schwierig, die Inflation zu bekämpfen, indem man den Zinssatz anhebt. Ein Zwischenbankenmarkt existiere nicht und die Zentralbank vergebe keine Kredite an die Banken. Deshalb sei die Liste der Instrumente zum Kampf gegen die Inflation sehr begrenzt, so Orlowa. "Die Verlangsamung der Kreditvergabe ist also eine der Maßnahmen, die überhaupt leicht verfügbar ist."

Zinsen helfen nicht

Da die Zentralbank Kredite nur an einen sehr engen Kreis von Banken vergibt, haben Zinsänderungen auf große Teile des Bankensystems kaum Auswirkungen. Hier rächt sich, dass das russische Bankensystem immer noch relativ simpel strukturiert ist. Vor allem Anlagen über drei und mehr Jahre gibt es wenig auf dem heimischen Markt. Da im Zuge der weltweiten Finanzkrise der Zufluss von ausländischem Kapital aber auf ein Viertel zurückgegangen ist, finanzieren Banken langfristige Kredite mit kurzfristigen Anleihen gegen. In der Folge könnte es zu Liquiditätsengpässen kommen, fürchtet Natalja Orlowa. Vor allem wenn die Unternehmen ihre Umsatzsteuer, wie in Russland üblich, auf einen Schlag für das ganze Quartal abführen müssen.

Sollte der eine oder andere Bänker sich dann zum Beispiel im Oktober wirklich Sorgen um seine Liquidität machen müssen, dürfte so mancher neidisch auf die Milliarden der russischen Oligarchen und Großindustrie schielen. Die legen ihr Geld bislang kaum im russischen Bankensektor an. Die Bedingung für Investitionen seien einfach nicht sicher genug, erklärt Richard Hainsworth von der Rating-Agentur RusRating. "Das ist eines der Probleme Russlands und das betrifft nicht nur Banken."

Starke Staats-Banken

Konzern-Zentrale von Gazprom
Bei Russlands Oligarchen und Großkonzernen liegt das GeldBild: AP

Über 1000 Banken gibt es derzeit in Russland. Doch nur die großen Staatsbanken wie Sberbank und VTB sowie ein paar wichtige private Banken spielen wirklich eine Rolle. Das Gros sind so genannte Taschenbanken eines Oligarchen oder Konzerns ohne Zugang auf den internationalen Markt.

Die enormen Unterschiede sind für Natalja Orlowa eine der größten Herausforderungen für den russischen Bankensektor: "Unser Problem ist, dass es keine Konkurrenz gibt", sagt sie. "Es ist schon schwierig zu sagen, was überhaupt der Bankenmarkt ist - zum Beispiel in Bezug auf den Zinssatz. Die weltweite Situation, die wir derzeit sehen: die Liquiditätsprobleme in Russland, die Notwendigkeit das Wachstum des Sektors zu bremsen. Das sind alles Maßnahmen, die leider zur Stärkung der Staatsbanken führen, weil sie innerhalb des Landes einfach einen besseren Zugang zu Ressourcen haben."

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