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Arbeitsplatz-Garant

Linda Vierecke27. Mai 2008

In Deutschland steht Nokia für den Abbau von Arbeitsplätzen - in Rumänien hingegen für Jobs und Geld. In der Nähe der rumänischen Stadt Cluj baut der finnische Handykonzern jetzt ein neues Werk. Die Stadt boomt.

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Rumänen auf Pferdekutsche fahren auf einer Landstraße an einem Wegweiserschild mit der Aufschrift Tetarom III Nokia vorbei (23.01.2008/2008)
Auf zu Nokia - das Werk ist noch fertig, aber die Schilder stehen schonBild: AP

Nicht im deutschen Bochum, sondern im rumänischen Cluj, auf deutsch Klausenburg, sieht der Nokia-Konzern seine Zukunft. Dort wird jetzt auf einer Fläche von 90 Hektar ein Nokia-Dorf gebaut, wo Nokia selbst und die Zulieferer Platz finden. Und Nokia ist in Cluj nicht allein: Seit 2005 haben sich über 40 Firmen hier angesiedelt. Mobiltelefonhersteller wie Vodafone und Orange genauso wie rumänische Softwareentwickler.

Kein Bauende in Sicht

Während Cluj boomt, will Nokia sein Produktionswerk in Bochum in Deutschland schließen. Bereits Anfang des Jahres hatte Nokia das verkündet - und trotz wochenlanger Proteste. Auch Viorel Gavrea hatte den Aufschrei damals bis in sein Büro gehört. Denn im November letzten Jahres rief Nokia bei ihm an und unterbreitete das Angebot 3500 Arbeitsplätze in die Stadt zu bringen. Viorel Gavrea ist der Manager der drei Industrieparks in Cluj – Tetarom 1, 2 und 3. In Tetarom 3 zieht gerade Nokia sein Werk in die Höhe. Und auf dem Gelände ist noch ein bisschen Platz.

Blick auf das Nokiawerk in Rumänien, Teil des Industrieparks Tetarom III (16.01.2008/AP)
Teil des Nokia-Werks im Industriepark Tetarom IIIBild: AP

"Es ist gerade etwas sehr interessantes passiert", erzählt Gavrea. Drei große Firmen haben Interesse, sich in der Nähe von Nokia anzusiedeln. Aus seinem Fenster sieht der dunkelhaarige Mann mit dem feinen Anzug den nächsten Bau in die Höhe schießen. An den Anblick von Baukränen hat er sich gewöhnt. Nur ein Restaurant zum Mittagessen findet er hier weit und breit nicht. Und darum setzt sich Gavrea jeden Mittag in sein Auto und fährt zehn Kilometer in die Innenstadt. Viorel Gavrea und die drei Tetarom-Industrieparks kennt jeder in Cluj. .

Mit dem Wachstum kommen auch Probleme

Die Einwohner sind zufrieden mit den Veränderungen. "Wenn man die Situation jetzt mit der von vor ein paar Jahren vergleicht, ist es sehr gut. Jetzt haben wir Straßen, es ist sauber. Wir haben darauf lange gewartet." 300.000 Einwohner lebten offiziellen Zahlen zufolge noch vor Kurzem in Cluj – inzwischen ist die Zahl auf eine halbe Million gestiegen, die Stadt ist nun fast so groß wie Düsseldorf. Wer nach Cluj kommt, der kommt wegen der Jobs - und das mit dem eigenen Auto. Die kleine Altstadt kann die riesige Menge an Fahrzeugen kaum noch fassen.

Ein Krankenwagen passiert auf einer Landstraße einen Pferdewagen beladen mit Holz (07.12.2005/AP)
So leere rumänische Straßen sieht man in Cluj kaum nochBild: AP

Ovidiu Pecican ist eine Ausnahme, denn er ist ohne Auto unterwegs. In Deutschland würde man den bärtigen Mann mit dem runden Bauch wohl einen Alt-68er nennen. Hier in Cluj ist der Universitätsprofessor und Schriftsteller der Chef-Kritiker der Stadt. Seiner Meinung nach sei der Autoverkehr ein großes Problem, weil er einfach alles blockiere, sogar die Bürgersteige. "Ein anderes ist, dass die historische Altstadt zugebaut wird und so die Grünflächen verschwinden. Das ist schon sehr schlecht", fügt Pecican hinzu.

Hohe Nachfrage nach Arbeitern

Zumindest das Verkehrsproblem hat die Stadt erkannt und plant weitere Straßen rund um das Zentrum. Auch eine große Autobahn von Cluj bis nach Bukarest ist in Arbeit. So sollen die Investoren leichter nach Cluj kommen und die Arbeiter zu ihren Jobs, denn die braucht man hier – Arbeiter für 200 Euro im Monat.

Aus diesen Gründen kommen auch die neuen Investoren. Und ihre wichtigste Frage an den Chef des Industrieparks lautet, ob es noch genug Arbeiter gibt. Doch Viorel Gavrea beruhigt zuversichtlich, dass er die Arbeiter für den Industriepark aus einem Radius von 60 Kilometern rund um Cluj anwerbe. "Hier ist die Arbeitslosenquote riesig. Ich habe Nokia und Emerson gefragt. Auch sie hatten keine Probleme, Arbeiter zu finden."

Was bringt die Zukunft?

Nachwuchsarbeitskräfte gibt es in Cluj schließlich genug, denn die Stadt hat gleich neun Universitäten mit insgesamt 100.000 Studenten. Auch Professor Ovidiu Pecican sieht das so, allerdings müsse man dennoch etwas dabei bedenken: "Ich glaube schon, dass wir noch Arbeitskräfte haben. Aber wenn man jemanden mit zwei Uni-Diplomen dazu bringen will Löcher zu buddeln, dann wird er kein Interesse haben."

Doch noch ist es für die meisten Rumänen einfach einen Job zu finden, ob sie für diesen überqualifiziert sind oder nicht. Viorel Gavreas Industrieparks wachsen daher weiter – Tetarom III soll inzwischen drei Mal so groß werden, wie geplant – über 300 Hektar und ein Ende ist nicht in Sicht. Ein Tetarom Industrie-Park Nummer vier ist auch schon in Planung.

Es ist das Spiel der Globalisierung, das Cluj momentan spielt und gewinnt. In zehn Jahren sieht vermutlich alles anders aus, da hat Gavrea Viorel keine Illusionen. Dann wandern die Arbeitsplätze vielleicht noch weiter in den Osten.