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Armut und Klima

Bernd Riegert, zurzeit in Lima16. Mai 2008

Bundeskanzlerin Merkel will auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel konkrete Kooperationsmöglichkeiten mit einzelnen Ländern ausloten. Damit trägt sie deren höchst unterschiedlichen Interessen und Bedingungen Rechnung.

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Perus Präsident Garcia mit Kanzlerin Merkel in Lima (Quelle: AP)
Perus Präsident Garcia mit Kanzlerin Merkel in LimaBild: AP

Die Konfrontation zwischen dem linksnationalistischen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chavez, und Bundeskanzlerin Angela Merkel beherrscht die Schlagzeilen zum 5. Gipfeltreffen Lateinamerikas mit der Europäischen Union, der am Freitag (16.05.2008) in Lima begonnen hat. In seiner Fernsehshow hatte Chavez Frau Merkel in die Nähe von Adolf Hitler gerückt und sie bei einer Rede auf einem Ölfeld in Venezuela erneut lächerlich gemacht.

Frau Merkel vermied es auch nach ihrer Ankunft in Lima, auf die Provokationen aus Venezuela einzugehen. Die konservative Kanzlerin will auch mit linken Regierungschefs zu bilateralen Gesprächen zusammenkommen, allerdings nicht mit Hugo Chavez, sondern mit Evo Morales aus Bolivien.

Spannungen zwischen Uribe und Chavez

Venezuelas Präsident Chavez (Quelle: AP)
Venezuelas Präsident Chavez bleibt auf KonfrontationskursBild: AP

Der Präsident Venezuelas hat auch gegenüber Kolumbien wieder scharfe Töne angeschlagen. Er warf dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe vor, kriegerische Auseinandersetzungen zu provozieren, weil dieser eine amerikanische Militärbasis an der Grenze zu Venezuela einrichten wolle. Präsident Uribe stritt das ab und warf Chavez vor, die ultralinken FARC-Terroristen in Kolumbien zu finanzieren. Uribe und Chavez werden beim Gipfel aufeinandertreffen.

Bei den eigentlichen Gipfelverhandlungen kritisiert die EU die Verstaatlichungen von Energie- und Schwerindustrie, die linksgerichtete Regierungen in Lateinamerika vornehmen. Sie würden ausländische Investitionen abschrecken.

Gemeinsam für den Klimaschutz?

Die EU drängt auf konkrete Ziele beim Klimaschutz, die in Lima bislang nicht vereinbart werden konnten. Die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, steuert gedanklich deshalb schon den nächsten Umweltgipfel in Kopenhagen an: "Wir wollen gemeinsam für die große Konferenz in Kopenhagen arbeiten. Wir würden uns wünschen, dass wir gemeinsam für dieselben Ziele einzutreten. Aber im Moment geht es um die große Stoßrichtung und noch nicht um genaue Prozentziele, soweit sind wir noch nicht."

Der peruanische Präsident Alan Garcia signalisierte seine Zustimmung. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass die lateinamerikanischen Staaten den Schutz ihres Regenwaldes zusagen, wenn die Europäer im Gegenzug Kredite für Klimaschutzprojekte gewähren.

Die Regenwälder bauen in großem Umfang Kohlendioxid ab, das zur Klimaveränderung beiträgt. Präsident Garcia beschreibt das große Gipfelthema so: "Die entscheidende Herausforderung heißt, alle Menschen am technologischen Fortschritt, an Demokratie und Wohlstand teilhaben zu lassen. Das heißt aber auch, dass für das Wirtschaftswachstum die Umwelt in Zukunft nicht geopfert werden darf."

Biosprit soll öko sein

Frisch geschnittenes Zuckerrohr auf dem Weg in die Fabrik (Quelle: AP)
Frisch geschnittenes Zuckerrohr auf dem Weg in die FabrikBild: Elena Ern

Angela Merkel setzt sich genauso wie EU-Kommissionspräsident Jose Barroso dafür ein, die Produktion von Bio-Ethanol aus Zuckerrohr oder Soja umweltverträglich zu gestalten. Brasilien und andere Länder dürften für den Anbau von Biosprit-Pflanzen nicht noch mehr Wälder roden. Außerdem müsse der Zusammenhang mit der derzeitigen Nahrungsmittelknappheit untersucht werden. Die EU will nur Biokraftstoffe zulassen, die nachhaltig produziert wurden. Die Quote von Biosprit soll in Europa bis zum Jahr 2020 auf zehn Prozent des Gesamtverbrauchs erhöht werden.

Die EU bietet den lateinamerikanischen Staaten stärkere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Armut an. Konkrete Ziele will Perus Präsident Garcia aber nicht festschreiben, dazu seien die Staaten zu unterschiedlich. Brasilien etwa gehört zu den aufstrebenden Schwellenländern, während Peru mit einer Bevölkerung, die zur Hälfte an der Armutsgrenze lebt, als Entwicklungsland gilt.

Richtungswunsch Freihandel

Die EU möchte mit Lateinamerika weitreichende Freihandelsabkommen aushandeln. Fortschritte gibt es aber nur mit Zentralamerika und dem Andenpakt. Allerdings sind auch die Andenpaktstaaten untereinander zerstritten. Boliviens Regierung möchte Ausnahmen bei den Handelsvereinbarungen mit Europa durchsetzen, was wiederum Peru kritisiert. Mit dem Handelsbündnis Mercosur, in dem auch Brasilien vertreten ist, tritt man auf der Stelle. EU-Handelskommissar Peter Mandelson ist skeptisch: "Wir müssen noch sehr viel Boden gut machen, wenn wir im Jahr 2009 einen Abschluss erreichen wollen, wie wir das eigentlich vorhatten."

Parallel zum offiziellen Gipfeltreffen zwischen der EU, der Karibik und Lateinamerika findet an der Technischen Universität von Lima ein sogenannter Gipfel der Völker statt, auf dem Gewerkschaften und linke Parteien mehr soziale Rechte und bessere Lebensbedingungen für die arme indigene Landbevölkerung fordern. Auf der Abschlusskundgebung des Gegengipfels in der Innenstadt von Lima will auch Chavez sprechen. Evo Morales, der Präsident Boliviens, trat bereits zu einem Benefiz-Fußballspiel beim Gegengipfel an.