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Inzest-Skandal

29. April 2008

Der Inzest-Skandal in Österreich bleibt unfassbar. Wie konnte der Vater seine Tochter 24 Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen halten und missbrauchen? Warum fiel das Doppelleben nicht auf?

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Die österreichische Polizei präsentiert Einzelheiten zum unfassbaren Fall des geständigen Inzest-Täters (AP-Photo)
Polizeisprecher zeigt ein Bild des geständigen Inzest-TätersBild: AP

Die Frau des geständigen Inzest-Täters im niederösterreichischen Amstetten hat laut Polizei nichts von den furchtbaren Vorgängen gewusst, die jahrelang im Kellerverlies ihres Hauses vor sich gingen. Der jetzt 73-Jährige habe über 24 Jahre lang ein perfektes Doppelleben geführt, sagte der Polizeichef von Niederösterreich, Franz Polzer, vor Journalisten. Auch Nachbarn erklärten, sie hätten nichts Auffälliges bemerkt. Die österreichischen Behörden schlossen ein Versagen ihrerseits aus. Die junge Frau, die 1984 von ihrem Vater wie ein Tier in einem dunklen Kellerbau weggesperrt wurde, sei von den Ämtern intensiv gesucht worden, sagte der Amstettener Bezirkshauptmann Hans-Heinz Lenze. "Man hat zu dem damaligen Zeitpunkt alle Möglichkeiten ausgenutzt, diese junge Frau auszuforschen", sagte Lenze dem Bayerischen Rundfunk.

Krankheit brachte Weg in die Freiheit

Die Polizei fand bei ihren Ermittlungen ein etwa 60 Quadratmeter großes Verlies vor, dessen Zugang verborgen und elektronisch gesichert war. Die engen Räume sind nur etwa 1,70 Meter hoch.

Inzest-Vater hielt drei Familienmitglieder im Kellerverlies gefangen (AP-Photo)
Polizei: Niemand wusste von dem Gefängnis im KellerBild: AP

Bis vor wenigen Tagen hatten die dort Eingepferchten - ein 19-jähriges Mädchen und seine Brüder im Alter von 18 und 5 Jahren - die Zelle nie verlassen oder Tageslicht gesehen. Das Ende der Schreckenszeit im Keller kam für sie erst durch eine schwere Erkrankung der 19-Jährigen. Sie litt unter Krämpfen und befand sich in einer Art Dämmerzustand. Die 42-jährige Mutter überredete ihren Inzest-Vater, die Jugendliche in ein Krankenhaus zu bringen. Dort konnten sich die Ärzte keinen Reim auf die Symptome der 19-Jährigen machen und suchten zwecks Anamnese die Mutter der Kranken. Schließlich verbreiteten sie über das Fernsehen einen Aufruf an die Mutter, sich zur Rettung der Jugendlichen beim Krankenhaus zu melden.

"Verschwundene" Tochter zurückgekehrt

Diesen Aufruf sah die 42-Jährige in ihrem Kellergefängnis und überredete den Vater erneut, sie in das Krankenhaus zu lassen. Der Rentner log seine Frau an, die seit 24 Jahren spurlos "verschwundene" Tochter sei zurückgekehrt und werde von ihm ins Krankenhaus gebracht. In der Klinik bat die 42-Jährige, die laut Polizei 20 Jahre älter aussieht, um ein Vieraugengespräch mit einem Arzt. Dort verlangte sie, nie wieder in die Nähe ihres Vaters gebracht zu werden - und sie erzählte ihre grauenvolle Geschichte von 24 Jahren im Keller, während derer sie sieben Kinder zur Welt brachte, von denen eines nach der Geburt starb. Inzwischen zeigte eine DNA-Untersuchung, dass alle im Keller geborenen Kinder von dem Täter gezeugt wurden. Drei der Kinder wurden von ihm und seiner Ehefrau oben im Haus großgezogen.

Nach außen behauptete er, seine 1984 verschwundene Tochter lebe in einer Sekte. So erklärte er den Behörden, dass drei Mal wenige Monate alte Babys vor seiner Tür abgelegt wurden. Seiner Darstellung nach übergab sie die Mutter den Großeltern, weil sie sich nicht um die Kinder kümmern könne. Er soll die Tochter gezwungen haben, Briefe zu verfassen, um seine Behauptungen zu untermauern.

Persönlichkeitsspaltung und Machtkomplex?

Nach Ansicht des Psychiaters Reinhard Haller dürfte der geständige Vater einen Machtkomplex haben. Er sei vermutlich von ausgeprägtem Narzissmus und dem Drang, Macht über andere auszuüben, angetrieben worden. Die Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith erklärte, der Täter habe im Grunde genommen zwei verschiedene Persönlichkeiten: eine im Untergrund wirkende und eine andere, die an der Oberfläche existiert habe. (hp)