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Leiharbeiter in Brüssel

Ruth Reichstein28. April 2008

Die EU will das Los von Leiharbeitern verbessern. Dabei setzt Brüssel selbst Hunderte von Zeitarbeitern ein – zu viel schlechteren Bedingungen als die EU-Beamten. Ruth Reichstein hat sich umgeschaut.

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Mann sitzt vor Computer (Quelle: bilderbox)
Vielsprachige Bürofachkräfte sind gefragtBild: BilderBox

Leiharbeiter bekommen weniger Geld, weniger Urlaub und haben kaum soziale Sicherheiten – das gilt für viele Länder in der Europäischen Union. Diese Ungerechtigkeiten will die Europäische Kommission abschaffen. Bereits 2002 hat sie einen Gesetzesvorschlag für Leiharbeit in Europa gemacht. Die zentrale Forderung: Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Festangestellten – bei Bezahlung, Urlaubstagen und Sonderzahlungen. Darüber verhandeln die Mitgliedsstaaten seit Jahren.

Aber auch bei den EU-Institutionen ist der Anteil an Zeitarbeitern in den vergangenen Jahren stark gewachsen – zuletzt um rund fünf Prozent jährlich. Due Europa-Zentrale ist zu einem wichtigen Kunden für Zeitarbeitsfirmen in der Region Brüssel geworden.

Vielsprachige Reisende gesucht

Eine dieser Firmen ist die Leiharbeitsagentur Startpeople. Sie liegt mitten im Brüsseler Europaviertel: Im Gebäude nebenan arbeitet die Generaldirektion für Steuerfragen der Europäischen Kommission, nur rund Hundert Meter weiter liegen die Verwaltungsgebäude des Europäischen Parlaments.

"Wer Erfolg haben will, muss auf jeden Fall mehrere Sprachen sprechen", sagt Julien Gomez, der Leiter der Agentur, über gefragte Zeitarbeiter für die EU. "Die Institutionen wollen am liebsten Leute haben, die schon etwas erlebt haben, die gerne reisen und etwas zu erzählen haben." Am häufigsten würden zwei- oder sogar dreisprachige Sekretärinnen gesucht.

Rein zahlenmäßig scheint die Bedeutung der Leiharbeiter in den EU-Institutionen eher gering zu sein – von 25.000 Angestellten der Europäischen Kommission arbeiten nur rund 500 unter Vertrag der Leiharbeitsfirma. Aber wenn man bedenkt, dass eigentlich 100 Prozent der Mitarbeiter Beamte sein sollten, sei selbst 500 viel, sagt Julien Gomez, und gibt zu, dass die EU-Institutionen die wichtigsten Kunden für sie sind.

Nicht nur temporärer Einsatz

Glasfront des EU-Parlaments in Brüssel
Bessere Bedingungen für Leiharbeiter - auch in Brüssel?

Die Europäische Kommission vergibt jedes Jahr einen Rahmenvertrag an eine Leiharbeitsfirma. Diese wird damit beauftragt, die Bewerber für die Kommission auszusuchen. Sie müssen zwar nicht den standardisierten Concours durchlaufen – wie etwa die Beamten – aber die Agentur testet zum Beispiel ihre Sprachkenntnisse. Alle erfolgreichen Bewerber kommen auf eine Liste und aus der sucht die Kommission die geeigneten Arbeitskräfte aus.

Wolfgang Entmayr von der Gewerkschaft der EU-Funktionäre ist darüber nicht gerade erfreut: "Wenn es um einen temporären Ersatz geht, dann kann man eigentlich nichts dagegen haben. Das gibt es in anderen Firmen auch." Es könne aber nicht sein, dass man Beamte durch Leiharbeiter ersetzt. "In der Bezahlung gibt es Unterschiede und das erklärt auch das Interesse der Kommission, zunehmend bestimmte Arbeiten an Vertragsbedienstete, also Zeitarbeiter zu übertragen."

Unsicherer Job, weniger Geld

Immerhin gibt es für Leiharbeiter festgelegte Mindestlöhne. Ein Fahrer zum Beispiel bekommt 1700 Euro im Monat, ein Buchhalter oder Informatiker 3100 Euro. Trotzdem sind die Leiharbeiter im Vergleich zu den Beamten wesentlich schlechter gestellt, räumt Kommissionssprecherin Valérie Rampi ein: "Leiharbeiter bezahlen mehr Steuern, für die EU-Beamten gilt nämlich ein besonders niedriger Steuersatz. Zudem bekommen die Beamten, die aus anderen EU-Ländern hierher kommen, jeden Monat zusätzlich eine Art Prämie, weil sie im Ausland arbeiten. Das bekommen die Leiharbeiter natürlich auch nicht."

Diese Prämie bringt den Beamten immerhin 16 Prozent zusätzlichen Lohn. Aber die Nachteile der Zeitarbeiter sind nicht nur finanzieller Natur. Denn obwohl die Kommission behauptet, die Leiharbeiter eigentlich nur kurzzeitig und in Ausnahmefällen einzustellen, hangeln sich viele ein Leben lang von einem unsicheren Job zum nächsten. "Die Verträge laufen höchstens sechs Monate. Danach müssen sie einen Monat Pause machen und dieses Hin und Her kann dann bis zu sechs Jahre dauern", sagt Julien Gomez von der Firma Startpeople. "Das machen unglaublich viele Leute mit. Sie wechseln zwischendurch die Vertragsform und bleiben so über zehn Jahre in der Kommission, aber haben natürlich nie eine Sicherheit, ihren Arbeitsplatz längerfristig zu behalten."