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Mindestlohn verlangt

Dirk Eckert1. April 2008

Nach dem Willen der Tarifparteien soll in acht Branchen in Deutschland der Mindestlohn eingeführt werden. In den meisten EU-Staaten gibt es die Lohnuntergrenze bereits. Sie wird fast jedes Jahr erhöht.

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Plakat "Kein Lohn unter 7,50" (Quelle: AP)
7,50 Euro pro Stunde fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für alleBild: AP

Der Mindestlohn kann kommen: Acht Branchen haben beim Bundesarbeitsministerium die Aufnahme ins Entsendegesetz beantragt. 1,57 Millionen Menschen können damit auf Lohnuntergrenzen in ihrem Beruf hoffen. Denn wenn das Arbeitsministerium die jeweiligen Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, wird de facto der Mindestlohn eingeführt.

Zu den entsprechenden Branchen zählen die Zeitarbeitsbranche, die Pflegedienste in der Altenpflege, das Wach- und Sicherheitsgewerbe, Großwäschereien, die Weiterbildungsbranche, die private Forstwirtschaft und Spezialfirmen im Bergbau. Am Dienstag (1.4.) haben die Abfall-Entsorger unmittelbar vor Ablauf der Meldefrist als achte Branche beim Bundesarbeitsministerium einen Mindestlohn beantragt.

CDU kündigt Widerstand an

Olaf Scholz wertete die Anträge als "gigantischen politischen Erfolg". Die Union, die gegen einen generellen Mindestlohn ist und lediglich die Aufnahme bestimmter Branchen in das Entsendegesetz zulassen will, sprach von "einer der fatalsten Fehleinschätzungen der Sozialdemokraten in den letzten Jahren". Die Mehrheit der Tarifparteien wolle keinen Mindestlohn, behauptete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte die Bundesregierung auf, ihre Pläne aufzugeben.

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen kritisierte insbesondere den geplanten Mindestlohn bei Zeitarbeitsfirmen. Dadurch würden alle bestehenden Tarifbindungen zerstört. "Für die Zeitarbeitsbranche wird es mit der Union definitiv keinen Mindestlohn geben", kündigte er am Montag im Interview mit der "FAZ" an. Der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) warf dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vor, die gewerkschaftliche Konkurrenz in der Zeitarbeitsbranche ausschalten zu wollen, deren tarifliche Mindestlöhne niedriger sind.

Mindestlohn: In Europa die Regel

Grafik Mindestlöhne (Quelle: DW-TV)
Bild: DW-TV

Thorsten Schulten überrascht es nicht, dass nur sieben Branchen die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragt haben: "In vielen Branchen wollen die Arbeitgeber das nicht", kritisiert der Tarifexperte des Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Das zeige nur, dass das Entsendegesetz nicht ausreiche. Im Gaststättengewerbe zum Beispiel gebe es überhaupt keinen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag, den das Arbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklären könnte.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in die Nachbarländer. In zwanzig von 27 EU-Staaten gibt es einen Mindestlohn. Er reicht von 0,53 Euro je Stunde in Bulgarien bis zu 9,08 Euro in Luxemburg, wie das WSI ermittelt hat. Der DGB fordert einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde, in Großbritannien liegt er bei 8,20 Euro, in Frankreich bei 8,44 Euro. Nur Deutschland, Dänemark, Finnland, Italien, Österreich, Schweden und Zypern haben keinen Mindestlohn.

Im letzten Jahr wurden die Mindestlöhne übrigens überall angehoben. Am stärksten in Irland - nämlich um einen Euro auf 8,65 Euro. Wie der Mindestlohn festgelegt wird, unterscheidet sich von Land zu Land. In Großbritannien gibt eine Kommission aus Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaft und Wissenschaft jedes Jahr Empfehlungen ab. In den meisten EU-Ländern entscheidet die Regierung jährlich nach Absprache mit den Tarifparteien über die Höhe des Mindestlohns.

Schutz gegen Lohndumping

Ein Fensterputzer (Quelle: AP)
Die Gebäudereiniger erhalten seit 2007 Mindestlohn nach Entsendegesetz. Er beträgt 7,87 Euro (6,36 Euro im Osten).Bild: AP

Aber selbst die Länder ohne offiziellen Mindestlohn haben Wege gefunden, den Arbeitsmarkt so zu regulieren, dass die Löhne nicht ins Bodenlose fallen. In Österreich zum Beispiel müssen die Arbeitgeber in der Wirtschaftskammer Mitglied sein. Über die Tarifverträge gibt es deswegen de facto beinahe eine flächendeckende Tarifbindung.

Auch in einzelnen Branchen können gemäß der EU-Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern von 1996 Mindestlöhne eingeführt werden. Die einzelnen Länder können so vorschreiben, dass ausländische Arbeitnehmer nach denselben Bedingungen arbeiten müssen wie ihre einheimischen Kollegen. In Deutschland wird das bisher vor allem im Bauhauptgewerbe praktiziert, um dort das Lohndumping zu unterbinden. Der Mindestlohn ist dann das, was Arbeitgeber und Gewerkschaften als niedrigsten Lohn vereinbaren.

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