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Nach dem Ausnahmezustand

27. März 2008

Oppositionelle Zeitungen können wieder erscheinen, auch die neue Regierungskoalition steht. Gleichzeitig hat das Parlament das Demonstrationsrecht verschärft. Erneute Proteste sollen verhindert werden.

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Künftiger Präsident Sersch Sarkissjan schmiedet BündnisBild: AP

In Armenien ist der 20-tägige Ausnahmezustand abgelaufen, den der amtierende Präsident Robert Kotscharjan nach blutigen Protesten in Eriwan verhängt hatte. Zu Beginn des Monats war es unter den Anhängern des bei der Präsidentenwahl unterlegen Oppositionskandidaten Lewon Ter-Petrosjan zu Massenunruhen gekommen. Bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kamen acht Menschen uns Leben, mehr als 200 wurden verletzt.

Das Ende des Ausnahmezustands bedeutet auch die Aufhebung von Beschränkungen für die Medien. Diese hatten praktisch unter Zensur gestanden, sie durften lediglich Informationen verbreiten, die aus offiziellen Quellen stammten. Nun können auch Oppositionszeitungen wie die "Armenische Zeit" wieder erscheinen. Nach einem der Redakteure dieses Blattes wird allerdings nach wie vor gefahndet. Die Behörden werfen ihm vor, Massenunruhen organisiert zu haben, mit dem Ziel, die Staatsmacht gewaltsam zu ergreifen und die Verfassungsordnung des Landes zu stürzen.

Strengere Gesetze im Schnellverfahren

Am Tag vor Ablauf des Ausnahmezustands erklärte der armenische Präsident Kocharjan, dass an allen 20 Tagen kein Verstoß gegen die Regeln des Ausnahmezustandes festgestellt worden sei. Gleichzeitig sprach das Staatsoberhaupt allerdings eine Warnung aus: Falls neue Protestaktionen der Opposition ohne Genehmigung der Staatsmacht abgehalten werden sollten, sei es die Pflicht der Polizei, diese sofort zu unterbinden.

Übrigens sorgte noch vor Ablauf des Ausnahmezustands das Parlament des Landes für eine Einschränkung des Demonstrationsrechts. In einem Schnellverfahren verabschiedeten die Abgeordneten auf einer außerordentlichen Sitzung ein Paket von Änderungen zum Gesetz über Versammlungen, Kundgebungen, Märsche und Demonstrationen. Jetzt hat die Staatsmacht das Recht, Massenveranstaltungen zu verbieten, "wenn glaubwürdige Informationen darüber vorliegen, dass sie einen gewaltsamen Sturz der Verfassungsordnung zum Ziel haben, sie gegen die staatliche oder öffentliche Ordnung verstoßen oder zu Unruhen und Verbrechen führen könnten". Die Glaubwürdigkeit entsprechender Informationen soll offiziell von der Polizei oder den Nationalen Sicherheitsorganen bestätigt werden.

Bislang mussten Kundgebungen mindestens drei Tage vorher von den Veranstaltern angemeldet werden. Von nun an gilt eine Frist von fünf Tagen. Die Opposition bewertet die Änderungen als repressiv. Dennoch verabschiedete die parlamentarische Mehrheit die Gesetzesnovellen, die noch am selben Tag vom Staatsoberhaupt unterschrieben wurden.

Neue politische Koalition

Inzwischen wurde in Armenien auch eine neue Regierungskoalition gebildet. Ihr gehören die "Republikanische Partei", deren Kandidat Sersch Sarkissjan die Präsidentschaftswahlen gewann, die Partei "Land der Gesetzlichkeit", deren Kandidat bei den Wahlen auf Platz drei kam, sowie die Partei "Daschnakzutjun" an. Die Einigung über die politische Koalition bezeichnete der neu gewählte Präsident Sarkissjan als "beispiellos", da früher Koalitionsabkommen in Armenien nur im Zusammenhang mit einer Regierungs-Bildung unterschrieben worden seien. Jetzt sei es aber eine Koalition, deren Ziel die Umsetzung von Reformen und ernster Veränderungen sei.

Unterdessen ist Ter-Petrosjan, der bei der Präsidentenwahl den zweiten Platz belegte, nach wie vor radikal gestimmt. Die Opposition erklärte, sie wolle ungeachtet der Verhaftung ihrer 106 Aktivisten den politischen Kampf fortsetzen.

Aschot Gasasjan