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Kommentar: Im Kosovo darf kein Parallel-Staat entstehen

20. März 2008

Nach den Unruhen im Nordkosovo mit einem Toten und vielen Verletzten steht Kosovo am Scheideweg zwischen Machtvakuum und Rechtsstaatlichkeit. Fabian Schmidt kommentiert.

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Bild: DW

Die Gewalteskalation im Kosovo am Montag markiert den tragischen Höhepunkt eines ungleichen Kräftemessens zwischen serbischen Nationalisten und der internationalen Gemeinschaft. Kosovo steht an einem Scheideweg. Es geht im Kern darum, ob die internationale Gemeinschaft es zulässt, dass im Nordkosovo ein paralleles Staatswesen entsteht, oder ob die dort lebenden Serben sich in die Institutionen des Kosovo integrieren werden.

Im ersten Fall würde sich der Parallelstaat stark auf Belgrad ausrichten. Er wäre aber aufgrund des herrschenden Legitimitäts- und Machtvakuums anfällig für den Einfluss der organisierten Kriminalität. Kosovo würde auch langfristig nicht zur Ruhe kommen. Im anderen Fall würden die mehrheitlich serbischen Gebiete ein Höchstmaß an verfassungsmäßig garantierten kollektiven Rechten und eine umfassende Selbstverwaltung genießen. Weil dann rechtsstaatliche Prinzipien gelten würden, könnten sich die Bürger dort sicher fühlen. In dieser Güterabwägung kann es also für die UNMIK und KFOR nur darum gehen, konsequent zu verhindern, dass sich im Norden ein Machtvakuum bildet. Daher müssen sie derartige Gewaltexzesse in Zukunft schon im Kern unterbinden.

Keine Toleranz für Intoleranz

Die Ausschreitungen vom März 2004, in denen Albaner und Serben sich blutige Straßenschlachten lieferten, haben die internationale Gemeinschaft gelehrt, dass sie ihr Gewaltmonopol auch nicht nur für einen Tag aus den Händen gleiten lassen darf. Und die Erfahrungen aus Bosnien und Herzegowina haben gelehrt, dass sich konsequentes Einschreiten gegen den nationalistischen Mob bezahlt macht. Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit für alle Bürger können nur gewährleistet werden, wenn sich auch Angehörige von Minderheiten und zurückkehrende Flüchtlinge jederzeit und überall sicher fühlen können. Es darf keine Toleranz für Intoleranz geben, ansonsten sind alle Bürger die Verlierer – Serben wie Albaner, Roma wie Goraner.

UN-Resolution noch in Kraft

Der Ärger vieler Serben über die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo kann hierbei keine Rechtfertigung für Gewalttaten sein. Auch kann es keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der internationalen Sicherheitskräfte geben. UNMIK und KFOR stehen nach wie vor auf der Grundlage der UN-Sicherheitsratsresolution 1244, die ihnen das Mandat zum Handeln gibt. Die derzeitige Debatte über die Legitimation des Mandats der Europäischen Rechtsstaatsmission EULEX ist davon völlig unabhängig, denn bis auf weiteres wirkt die Resolution 1244 nach.

Klare Botschaften erforderlich

Umso wichtiger ist es nun, die moderaten Kräfte in Belgrad zu ermutigen, die Gewalttäter zu isolieren. Dass Belgrad das kann, hat die serbische Polizei bereits letzte Woche bewiesen, als sie serbische Kosovo-Veteranen daran gehindert hat, zur Grenze des Kosovo zu marschieren.

Andererseits ist es genauso wichtig, den Kosovo-Albanern deutlich zu machen, dass der Erfolg der Staatlichkeit des Kosovo nun vor allem von ihrer Besonnenheit abhängt. Sie müssen nun umso mehr den moderaten Serben und den einfachen Menschen in den serbischen Enklaven die Hand reichen, und sie mitnehmen in ein rechtsstaatliches und demokratisches Kosovo.

Hierbei sind alle gefordert, nicht nur die Regierung: Aussöhnung beginnt bereits in Kindergärten, Schulen, in Sportvereinen und in der normalen Nachbarschaft. Solch einen direkten Austausch zwischen den Menschen sollte die internationale Gemeinschaft nun aber auch fördern, zum Beispiel durch besondere Projekte.

Fabian Schmidt