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Journalismus nach Regeln

Das Gespräch führte Oliver Samson14. März 2008

Bringt Online-Journalismus bewährte journalistische Qualitätsstandards in Gefahr? Ein DW-WORLD.DE-Gespräch mit FAZ-Herausgeber Werner D'Inka.

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DW-WORLD.DE: Herr D'Inka, gibt es eine Krise des Qualitätsjournalismus, die ursächlich mit dem Aufstieg des Online-Journalismus zusammenhängt?

Sankarshan Thakur, Editor der indischen Zeitung the Telegraph und Werner D`Inka, Herausgeber FAZ bei der Konferenz Online Journalism, Opportunities and Challenges for Press Freedom, Berlin, 13.3. 2008
Sankarshan Thakur von der indischen 'Telegraph' und Werner D'Inka (FAZ)Bild: presse

Werner D'Inka: Nein, so würde ich das nicht sehen. Es ist gesagt worden - und dem stimme ich in vollem Umfang zu - dass für den Online-Journalismus die gleichen Standards und Normen wie in Zeitungen, beim Radio oder im Fernsehen gelten - oder zumindest gelten sollten.

Trotzdem, man hört es allerorten: Die Produktionsbedingungen sind schwieriger geworden, der Druck insbesondere der Aktualität in Zeiten des Internets hat massiv zugenommen... Der Druck zur Geschwindigkeit ist im Online-Journalismus sicher noch mal höher als in den klassischen Medien, aber die Entscheidung etwa bei einer Geiselnahme auf den Sender zu gehen oder nicht, kennen auch die Kollegen von Radio oder Fernsehen. Auch bei Zeitungen stellt sich einmal am Tag die Entscheidung: Können wir morgen mit dieser Geschichte vor den Lesern bestehen oder nicht? Diese Entscheidung - reif zur Publikation oder nicht – ist ja so alt ist wie der Journalismus selbst. Sie ist sicher durch die heutige Umlaufgeschwindigkeit nochmals gesteigert. Man darf sich von dem Medium aber nicht dazu zwingen lassen, Dinge auf den Draht zu geben, die man eigentlich nicht vertreten kann. Ich glaube, dass sich auch in der Online-Welt auf Dauer das Solide, das Glaubwürdige gegen das Grelle oder Affektierte durchsetzen wird. Freuen Sie sich eigentlich mehr, wenn Sie das Nachrichtenangebot im Netz sehen, oder überwiegt die Sorge um die Qualität? Da liegen Freude und Sorgen gelegentlich nahe beieinander. Es ist für unsere Arbeit natürlich oft phantastisch, welche Fundgrube das Internet sein kann - wenn man genauso quellenkritisch damit umgeht, wie mit jeder anderen Information auch. Was mich bekümmert - und das ist ja auch nicht originell - dass auch seriöse Nachrichtenportale im Moment versuchen, höhere Zugriffszahlen durch einen Gang ins Seichtere wie etwa mit Bilderstrecken und dergleichen zu erreichen. Ich weiß nicht, ob die Kollegen da gut beraten sind - oder ob das Andere auf Dauer nicht besser und noch niveauloser können. Das muss jede Redaktion für sich entscheiden. Inzwischen bin ich mir aber auch sicher, dass es nicht nur reiner Zweckoptimismus ist, wenn man sagt: Je schneller sich das Nachrichtenkarussell im Internet dreht, desto größer wird möglicherweise bei einer gewissen Zahl von Leuten, die Sehnsucht etwa geboten zu bekommen, was mindestens für einen Tag Bestand hat. Es ist die Sehnsucht nach einem Medium, einer Instanz, die aus dem ganzen Sand von Nachrichten-Splittern die Goldklumpen herausfiltert. Das könnte möglicherweise die Zeitung sein, die nicht in dem Wettlauf steht, alle zehn Minuten neue News oder zumindest eine neue Überschrift setzen zu müssen. Natürlich müssen sich Zeitungen auch wandeln und sie sind ja auch dabei. Die Zeitung hat das Monopol verloren, Nachrichten als erstes Medium zu präsentieren. Hier auf der Konferenz trafen Journalisten aus Asien, Afrika und Europa aufeinander, Journalisten mit verschiedenen Realitäten, Hintergründen, verschiedenen Mentalitäten. Kann es so etwas wie globale journalistische Standards geben? Glaube ich schon. Ich habe mich gerade eben noch mit einem indischen Kollegen unterhalten und wir waren uns einig, dass die prinzipiellen handwerklichen Normen globale Geltung beanspruchen können: dass man nicht ungeprüft Gerüchte verbreiten darf, dass man versucht Fakten und Bewertung voneinander zu trennen, dass man nicht versuchen darf, private oder partikulare Interessen im Sinne von Propaganda oder Betreibertum zu verbreiten, sondern dass man das allgemeine, öffentliche Interesse im Auge hat, dass man mehrere Seiten zu Wort kommen lässt. Wo auf der Welt Fußball gespielt wird, spielt man es ja auch nach den gleichen Regeln. Das kann man auch auf den Journalismus übertragen. Den westlichen Medien wurde auch ein Mangel an Selbstkritik unterstellt. Teilen Sie diese Kritik? Ich weiß nicht, ob das so pauschal stimmt. Selbstzweifel gehört zu den Kardinaltugenden. Wir machen genauso Kunstfehler, wie sie in jedem anderen Beruf auch vorkommen. Gerade unter Zeitdruck. Wir alle beurteilen gelegentlich Entwicklungen in ihren Dimensionen falsch, wir überwerten vielleicht etwas, und müssen uns später korrigieren oder wir unterschätzen etwas. Das gibt es natürlich auch bei uns. Bei uns gibt es das Rudelverhalten – einer bringt das Thema auf, alle anderen laufen nach. Davon sind wir natürlich nicht frei.