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Das Erbe des Vietnamkriegs

Esther Broders11. März 2008

Mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben warfen die Amerikaner während des Vietnamkriegs über Laos ab. Heute versuchen Minenräumtrupps, das Land von Blindgängern zu säubern - eine Arbeit, die noch Jahrzehnte dauern wird.

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Ein MAG-Team bei der Arbeit(Quelle: MAG)
Ein MAG-Team bei der ArbeitBild: MAG
Konzentriert hält der Mann mit dem grünen T-Shirt und dem aufgedruckten Totenkopf-Motiv seinen Metall-Detektor über den Boden, wenige Zentimeter über der Erde. Schritt für Schritt bewegt er sich langsam über das kleine Feld in der nordost-laotischen Provinz Xieng Khouang. Jedes Mal, wenn das Gerät Metall im Boden wahrnimmt, ertönt ein Piepsen.
MAG-Mitarbeiter bei der Arbeit (Quelle: MAG)
Ein funktionierender Metalldetektor zum Aufspüren der Minen im Boden ist für die MAG-Arbeiter überlebenswichtigBild: MAG

So muss es sein, denn wir sind auf einem Test-Areal unterwegs. Hier wird jeden Tag vor Arbeitsbeginn geprüft, ob die Detektoren auch einwandfrei anschlagen. Darauf müssen die Mitarbeiter von MAG sich verlassen können bei ihrem gefährlichen Job: Sie räumen Minen und entschärfen Bomben. Die Abkürzung MAG steht für "Mines Advisory Group". Die britische NGO ist auf der ganzen Welt im Einsatz, unter anderem in Angola, im Irak, im Libanon oder in Kambodscha. Und eben auch in Laos.

Zwei Millionen Tonnen Bomben über Laos abgeworfen

1994 nahm sie hier ihre Arbeit auf und versucht seitdem - gemeinsam mit anderen Organisationen - das Land in langwieriger Kleinarbeit vom grausamen Erbe des Vietnam-Krieges zu befreien. Eine Generationen-Aufgabe, erklärt Jo Durham, die die MAG-Zentrale in der laotischen Hauptstadt Vientiane leitet. "Man geht davon aus, dass ungefähr ein Viertel des Landes teilweise flächendeckend mit Blindgängern verseucht ist." In 15 der 18 Provinzen von Laos läge die nach wie vor scharfe Munition. "Insgesamt haben die USA über zwei Millionen Tonnen Bomben über Laos abgeworfen, und ungefähr ein Drittel davon ist nicht explodiert."

Rotes Schild mit Totenkopfzeichen an einem Zaun (Quelle: dpa)
Warnung vor BlindgängernBild: picture-alliance/dpa

Offiziell war Laos gar nicht am Vietnam-Krieg beteiligt, aber getroffen wurde es trotzdem - in einem geheimen Krieg, von dem die Weltöffentlichkeit so wenig wie möglich erfahren sollte. Durch die Bombardements wollten die Amerikaner den vietnamesischen Vietcong-Kämpfern, die von Laos aus über den Ho-Chi-Minh-Pfad unterstützt wurden, die Rückzugs- und Versorgungswege abschneiden. Die Provinz Xieng Khouang grenzt direkt ans Nachbarland Vietnam an und gehört zu den am schlimmsten betroffenen Gebieten. Die Liste der Minenopfer wird auch heute - mehr drei Jahrzehnte nach Kriegsende - noch immer länger. Erwachsene stoßen bei der Feldarbeit, Kinder beim Spielen auf die gefährliche Fracht im Boden, werden verstümmelt oder getötet.

"Das hier ist der Fußweg, auf dem wir gehen können", zeigt MAG-Teamleiter Bouaphet. Vorsichtig führt er uns den schmalen Pfad entlang. Auf einer Anhöhe bleiben wir stehen. Hier liegt das Einsatzgebiet. In Zweier-Teams und ausgerüstet mit Schaufel und Metall-Detektor suchen die MAG-Techniker akribisch den Boden ab.

Wo heute Bomben liegen sollen bald Touristen flanieren

Wenn das Dorf und das kleine Wäldchen einmal sicher sind, dann sollen sie Touristen aus aller Welt anlocken. Denn dieses Einsatzgebiet ist ein ganz Besonderes: Hier wurden historische Steingefäße gefunden. Die Provinz Xieng Khouang ist als sogenannte "Ebene der Tonkrüge" unter Kulturhistorikern schon jetzt weltberühmt - tausende riesige Gefäße liegen an mehreren Fundstellen und geben bis heute Rätsel auf, denn niemand weiß genau, wer sie gefertigt hat, wofür sie gedacht waren und wie alt sie sind.

Nur die drei größten Fundstellen sind derzeit für das zahlende Publikum geöffnet - denn sie sind schon von MAG geräumt worden. Eines Tages aber soll auch diese Fundstelle auf den Programmen der Reiseveranstalter stehen.

Armut zwingt Bauern auf bombenverseuchte Felder

Weites Feld mit verstreuten fassähnlichen Gebilden (Quelle: dpa)
Ebene der Tonkrüge, aufgenommen 1999Bild: picture-alliance/dpa

Seit über 30 Jahren müssen die Menschen in Laos mit den unzähligen Blindgängern leben, die überall im Boden lauern können. Die älteren Generationen sind sich der Gefahr sehr bewusst - und haben im Laufe der Zeit gelernt, Risiken so weit wie möglich zu vermeiden, erzählt MAG-Leiterin Jo Durham. "Insgesamt ist das Bewusstsein recht ausgeprägt, es gehört nicht zu den Haupt-Unfallursachen." Und auch mangelndes Wissen sei nicht das größte Problem.

Das liegt nach Ansicht von Jo Durham vielmehr darin, dass die Menschen oft einfach keine Wahl haben. Denn sie sind arm und wenn sie sich und ihre Familien ernähren wollen, müssen sie unweigerlich Risiken eingehen. Daher, so Durhan, gäbe es eine enge Verbindung zwischen Armut und Verseuchung durch Blindgänger. Wegen der Munition sei es für die Menschen zu gefährlich, neues Ackerland zu erschließen, außerdem könnten keine Straßen gebaut werden. "Dadurch haben die Menschen also auch keinen Zugang zu den Märkten", meint Durhan. In besonders armen und verseuchten Gegenden würden die Leute Kriegsschrott sammeln, um ihn dann zu verkaufen. "Und dabei stoßen sie manchmal eben auch auf Blindgänger."

Jahrzehnte bis alle Blindgänger gefunden sind

Zügig geht Teamleiter Bouaphet auf eine Gruppe von Bäumen zu. Hier wurden vor zwei Tagen ein paar Geschosse und Zünder gefunden. In einer kleinen Mulde liegen die Kriegs-Fundstücke, sie sind nicht größer als zehn oder 15 Zentimeter und haben die lehmige Farbe des Bodens angenommen. Würde man nicht genau hinsehen, man könnte sie auch übersehen. Es sind vier - vier von mehreren hunderttausend Tonnen, die heute noch über das Land verteilt sind. Es wird wohl noch Jahrzehnte dauern, bis diese Masse auch nur annähernd gefunden, entschärft und zerstört ist.

Akribisch werden die Mitarbeiter von MAG und anderen Organisationen Laos auch in der Zukunft quadratmeterweise absuchen und für die Bewohner sicherer machen. "Es ist ein sehr verantwortungsvoller Job, aber ich sehe es mehr als Herausforderung an", sagt Bouaphet. "Natürlich ist unsere Arbeit gefährlich, aber wir arbeiten mit strengen Sicherheitsvorkehrungen." - Angst? - Nein, die habe er nicht.