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Sieg der Vernunft

Sanja Blagojevi10. März 2008

Nach wochenlangem Streit über den außenpolitischen Kurs der Regierung sollen Neuwahlen die Lage in Serbien klären. Der überraschende Schritt von Ministerpräsident Vojislav Kostunica wurde von allen Seiten begrüßt.

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Bild: DW

Vojislav Kostunica hat seinen Rücktritt angekündigt. Endlich, möchte man sagen. Endlich ist aus seinem Mund etwas Normales gekommen. Endlich sieht er die Realitäten. Denn der Premierminister Serbiens schien sein Gespür für die Wirklichkeit längst verloren zu haben.

Anders sind seine seine wirren Aussagen über die EU und das Kosovo, die er in letzter Zeit von sich gegeben hat, nicht zu erklären. Denn jeder rational denkende Mensch weiß, dass das Kosovo jetzt unabhängig ist und dass dies ein Wunsch zahlreicher Staaten war. Kostunica hätte Wünsche und Wirklichkeit klarer voneinander trennen sollen, egal wie schmerzhaft das ist.

Aber woher kommt jetzt, nach all den Propaganda-Parolen, plötzlich diese rationale Geste? Vermutlich entspringt sie reinem Macht-Kalkül, denn je länger die derzeitige politische Situation weiterbesteht, wo jeder jeden in der Regierung und im Parlament blockiert, desto stärker werden sich die Bürger innerlich vom Kosovo verabschieden und sich auf die wirtschaftlichen Probleme konzentrieren. Und das wäre eine Katastrophe für Kostunicas Image, das sowieso schlecht ist. Nach den Präsidentschaftswahlen, die sein politischer Gegner Tadic gewann, schien Kostunica politisch erledigt zu sein. Doch dann, mit der Unabhängigkeit des Kosovo, kam die nationalistische Welle. Und plötzlich kam zum Tragen, dass Kostunica im Lauf der Jahre fast alle Medien unter seine Kontrolle gebracht hatte.

Rückfall in nationalistische Zeiten

Die neue Linie war einfach: Wer nicht mit ganzem Herzen für ein Serbien mit Kosovo ist, ist automatisch ein Verräter. Es war ein Rückfall in die dunklen Zeiten der neunziger Jahre unter Milosevic. Mit diesem Wiedererstarken des großserbischen Nationalismus hat Kostunicas Partei, die DSS, ihre Chancen erhöht, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Denn die hätte sie nach Ansicht von politischen Beboachtern vor der Unabhängigkeit des Kosovo nicht geschafft.

Die Frage ist, wie Kostunica und seine DSS sich die Rückkehr an die Macht nach den für Mai geplanten Wahlen vorstellen. Er könnte sich mit der Radikalen Partei zusammentun, oder sich erneut in Richtung seines bisherigen Koalitionspartners, der Demokratischen Partei von Präsident Tadic, wenden. Auch das wäre typisch Kostunica.

Radikale ohne Konzept

Allerdings ist es äußerst zweifelhaft, ob Kostunica erneut Regierungschef werden könnte, denn bei den Radikalen, die zur Zeit kräftig im Aufwind sind, wäre er bestenfalls Juniorpartner. Und ob die Demokraten ihn überhaupt noch haben wollen, ist fraglich, denn Tadics Demokratische Partei will die Orientierung in Richtung Europa, ihnen ist Kostunica schon viel zu weit in die nationalistische Ecke gerückt.

Wer kann dann von den Wahlen profitieren? Am wahrscheinlichsten die Radikalen. Sie können es dieses Mal tatsächlich schaffen, an die Macht zu kommen. In diesem Fall wären allerdings die serbischen Bürger die Verlierer. Denn die Radikalen haben keine Rezepte, um das Land voran zu bringen: Kosovo-Parolen und Anti-EU-Rhetorik allein sind noch kein Regierungsprogramm.