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Die "Ära Putin": Eine Bilanz

28. Februar 2008

Acht Jahre lang stand Wladimir Putin an der Spitze der Russischen Föderation. Ein Rückblick auf Erfolge und Misserfolge seiner Präsidentschaft.

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Wladimir Putin will alle Ziele erreicht haben, die er sich gesetzt hatBild: AP

Jahrelang habe er wie ein Sklave von morgens bis abends geschuftet, hatte Wladimir Putin bei seiner letzten Pressekonferenz als Präsident vor 1.300 Journalisten im Kreml betont. Aber süchtig nach Macht sei er nie gewesen. Stolz fügte er hinzu: Er habe in diesen acht Jahren alle Ziele erreicht, die er sich gesetzt habe.

Amtsantritt als Wunschkandidat

Wladimir Putin war am 31.Dezember 1999 nach dem Rücktritt seines Vorgängers Boris Jelzin überraschend ins Amt gekommen – als Wunschkandidat. Im März 2000 wurde Putin dann mit 52,9 Prozent der Stimmen gewählt. Nach Jahren politischer Skandale und wirtschaftlicher Wirren stand seine Präsidentschaft im Zeichen des Neubeginns und der Hoffnung auf stabile Verhältnisse.

Die erste Amtszeit war geprägt durch innenpolitische Reformen – der Westen sah skeptisch zu. Putin sorgte dafür, dass der Kreml wieder das Sagen in der Innenpolitik hatte und schuf die sogenannte "Machtvertikale", indem er Regionen – später auch den Gouverneuren - Kompetenzen beschnitt. In Ungnade fiel eine Reihe von Oligarchen, die sich, wie der Kremlherr glaubte, mit Hilfe von Medienbesitz auf ungebührliche Weise in die Politik eingemischt hatten. Man leitete Ermittlungen ein. Einige von ihnen, darunter Boris Beresowski, flüchteten in die Emigration.

Kursk-Tragödie und Tschetschenien-Krieg

Einen ersten Dämpfer erhielt der neue Präsident rasch: Im August 2000 ging das Atom-U-Bootes "Kursk" unter, tagelang lag es manövrierunfähig mit 23 Überlebenden an Bord auf dem Grund der Barentssee. Keiner hat das Unglück schließlich überlebt. Die Marine verschleierte das Drama, und Putin machte Urlaub in Sotschi. Viel zu spät kam er an den Ort des Unglücks, wo ihm Angehörige der Opfer Desinteresse und Tatenlosigkeit vorwarfen.

Eine schwere Hypothek war auch der Tschetschenien-Konflikt, der immer mehr Verwundete und Tote auch auf Seiten der russischen Armee forderte. Mit dem Argument der Terrorismus-Bekämpfung vertrat Putin stets eine harte Linie, die Bürgerkriegsmüdigkeit in der Bevölkerung wuchs unterdessen, und gleichzeitig mehrten sich Berichte über Grausamkeiten der russischen Soldaten. Der Stimmungsumschwung kam im Oktober 2002, als schwer bewaffnete tschetschenische Terroristen das Moskauer Musical-Theater "Nord-Ost" stürmten und hunderte Besucher als Geiseln nahmen. Putin zeigte wiederum rücksichtslose Härte: Das Gebäude wurde gestürmt, zahlreiche Geiseln kamen dabei ums Leben, alle Terroristen wurden getötet. Putin sorgte schließlich dafür, dass in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny eine moskautreue Führung an die Macht kam.

Zweite Amtszeit mit absoluter Mehrheit

Im März 2004 trat Putin, gestärkt mit einem deutlichen Vertrauensvorschuss von nunmehr rund 70 Prozent der Wählerstimmen, seine zweite Amtszeit an. Diese war im Folgenden geprägt von dem außenpolitischen Bestreben, für Russland den Großmachtstatus zurückzugewinnen.

Russland positionierte sich dabei zunehmend kritisch gegenüber den USA und dem Westen. Dort wiederum wuchs das Unbehagen: der harsche Umgang mit der russischen Opposition, mit kritischen Journalisten stieß auf immer größere Skepsis. In Deutschland gipfelte diese im September 2004 in einer erbitterten öffentlichen Diskussion um die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg an Präsident Putin. Nach massivem Protest verzichtete man auf die Ehrung. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hielt fest an seiner Freundschaft zu Wladimir Putin, den er einen "lupenreinen Demokraten" nannte.

Beslan und "gelenkte Demokratie"

Im September 2004 dann das Geiseldrama von Beslan – für die Überlebenden ein Trauma bis heute, für Putins Präsidentschaft eine schwere Hypothek. Der Staatschef wurde verantwortlich gemacht für einen fehlgeleiteten Einsatz der Sicherheitskräfte, der Hunderte von Toten – insbesondere von Kindern – forderte.

Unterdessen nahmen die Einschränkungen der Pressefreiheit zu, die Ermordung der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 – bis heute nicht aufgeklärt - markiert auch hier einen traurigen Höhepunkt. Nach außen freilich betonte der Präsident, Russland sei auf einem demokratischen Weg – im Inneren sorgte er dafür, dass sich alle Machtbefugnisse im Kreml konzentrierten. Der Begriff "Gelenkte Demokratie" wurde geradezu zum Synonym für seine Politik. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung indes sah und sieht in Putin vor allem einen Garanten für Stabilität und den neu erwachten Patriotismus. Dessen Schattenseiten – nationalistische Strömungen, eine wachsende Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus – rütteln im heutigen Russland nur wenige Menschen auf.

Wirtschaftspartner und Energielieferant

Wladimir Putin hat im Lande wirtschaftliche Stabilität und Wachstum herbeigeführt, die Investitionsbedingungen sind besser geworden, Russland ist ein begehrter Wirtschaftspartner und – vor allem – Energielieferant. Die Einnahmen Russlands aus dem Öl-, und Gasgeschäft sind enorm, die Menschen haben, wenn auch keineswegs alle in gleichem Maße, vom Aufschwung profitiert. Freilich hat die "Energiegroßmacht" von ihrem Ressourcenvorteil auch unnachsichtig Gebrauch gemacht. Gas- bzw. Öllieferungen wurden als politisches Druckmittel eingesetzt, wie Streitigkeiten mit der Ukraine und Weißrussland gezeigt haben. Doch solche Zweifel hat Putin stets energisch zurückgewiesen. Die Russische Föderation habe immer ihre Verpflichtungen erfüllt, ihre Kunden zu beliefern, und werde das auch weiter in vollem Umfang tun, so der Präsident.

Neue Kluft zwischen Arm und Reich

Anders sieht es indes in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Infrastruktur aus. Hier gibt es deutlich weniger Fortschritte. Und auch die verbreitete Korruption konnte nur ansatzweise bekämpft werden. Die Einkommensschere klafft weit auseinander. Putin betont jedoch: "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass für Russland jetzt eine ganz neue Entwicklungsetappe beginnt. Es ist die Etappe des stabilen Wirtschaftswachstums, auf dessen Basis soziale Probleme gelöst werden. Die wichtigste Aufgabe dabei ist es, das Ungleichgewicht zwischen denen, die in Russland sehr gut leben und immense Einkünfte erzielen und denen, die noch in sehr armen Verhältnissen leben, zu beseitigen. Diese Kluft zwischen den Einkünften können, müssen und werden wir verringern."

Putin wird sich künftig die Verantwortung mit Medwedjew teilen, er als Ministerpräsident, der 13 Jahr Jüngere als Staatsoberhaupt. Man müsse nicht weinen, wenn die Zeit abgelaufen sei, sondern sich freuen, dass man in einer anderen Funktion weiter arbeiten könne – so das Fazit von Wladimir Wladimirowitsch Putin zum Ende seiner Amtszeit.

Cornelia Rabitz