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Einigung nicht in Sicht

Sejla Didic29. Januar 2008

Die Dauerkrise in Italien hat einen Grund: Das absurde Wahlsystem. Eine Übergangsregierung könnte es vor den nächsten Wahlen ändern. Doch Berlusconi will um jeden Preis umgehend Neuwahlen und droht mit einem Aufmarsch.

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Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano (Archiv, Quelle: AP)
Kein leichter Job für Napolitano - er muss Berlusconi zügelnBild: pa / dpa
Nach dem Sturz der Mitte-Links-Regierung in Italien kann nur noch Staatspräsident Giorgio Napolitano die Regierungskrise beenden. Bis zum Dienstag (29.01.2008) verhandelt er nun mit den Chefs der kleineren und großen Parteien über Auswege. Drei stehen ihm zur Verfügung: Napolitano könnte den bisherigen Ministerpräsidenten Romano Prodi erneut mit der Regierungsbildung beauftragen, er könnte eine Übergangsregierung ernennen oder aber Neuwahlen ausrufen. Die Aufgabe ist nicht leicht - zu gespalten sind die politischen Lager, eine Einigung weit entfernt. Während die Mitte-Rechts-Parteien um Silvio Berlusconi rasche Neuwahlen fordern, sprechen sich Teile des Mitte-Links-Bündnisses für die Bildung einer Übergangsregierung aus. Sie soll das Wahlrecht reformieren, das für die politische Instabilität im Land größtenteils verantwortlich ist. Übergangsregierung: Ausweg aus der Regierungskrise?
Italiens Oppositionschef am Tag nach dem Aus für Prodi ( 25.1.2008, Quelle: DPA)
Gehört ihm bald wieder Italien?Bild: picture-alliance/ dpa
Alexander Grasse, Politikwissenschaftler an der Uni Gießen hält Neuwahlen für nicht sinnvoll. "Würde man mit diesem Wahlsystem Neuwahlen durchführen, würden die Italiener sich an der Nase herumgeführt sehen." Erst vor Kurzem sei in Italien eine hitzige Debatte über das miserable Wahlsystem geführt worden, das die Berlusconi-Regierung kurz vor ihrer Abwahl 2006 eingeführt hat. "Dieses reformierte Wahlrecht ist umstritten, nicht nur weil es extrem kompliziert und intransparent ist und eine eine Zwei-Prozent-Hürde für alleinantretende Parteien den Einzug ins Parlament vorsieht, sondern auch, weil es ein Verhältniswahlrecht ist, das mit Mehrheitsprämien operiert", sagt Grasse. Durch diese Prämien bekommen die stärkeren Parteien zusätzliche Sitze in Parlament und Senat, um eine stabile Regierung bilden zu können. Da jedoch über die Wahlallianzen und die niedrigen Prozenthürden zahlreiche Splitterparteien ins Parlament kommen, sind stabile Mehrheiten trotzdem nicht für beide Kammern gegeben. Genau das kostete Prodi schließlich das Amt. Während seine Koalition im Abgeordnetenhaus auch nach dem Ausstieg der Partei UDEUR noch eine klare Mehrheit hatte, fehlten ihm im Senat entscheidende Stimmen. Daten und Fakten zu Italien In Italien ist nun die Autorität des Staatspräsidenten gefragt. "Napolitano wird höchstwahrscheinlich seine Vermittlungskünste nutzen, um eine Übergangsregierung zu bilden, die nur dafür ausgerichtet sein wird, das Wahlrecht zu reformieren, so dass die Bürger zwischen erkennbaren und vereinigten Lagern wählen können." Damit das überhaupt zustande kommt, müsse sich die Regierung aus parteilosen Fachleuten sowie Politikern der Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien zusammensetzen, erklärt Grasse. Berlusconi will aufmarschieren Napolitano muss nun vor allem Oppositionsführer Silvio Berlusconi von der Bildung einer Übergangsregierung überzeugen. Denn Umfragen zufolge hätte der Ex-Ministerpräsident gute Chancen, bei Neuwahlen zu gewinnen. Um Napolitano unter Druck zu setzen und sofortige Neuwahlen zu erreichen, hat Italiens reichster Mann sogar mit einem Aufmarsch von Millionen Demonstranten in Rom gedroht. "Klar hat Berlusconi Charisma", bekundet Grasse, "sein unpolitischer Kurs kommt bei einigen Italienern gut an, die kein Vertrauen mehr in die Politiker haben, doch von einem großen Teil wird er abgelehnt", erklärt der Politologe.
Prodi joggt (26.1.2008, Quelle: DPA)
Er hat endlich wieder Zeit fürs WesentlicheBild: picture alliance/dpa
Für die Übergangsregierung benötige der Staatspräsident vor allem einige Fürsprecher aus der Opposition, meint Grasse. "Zarte Anzeichen gäbe es dafür schon von der christdemokratischen UDC", sagt Roman Maruhn, Italien-Experte am Münchner Centrum für Angewandte Politikforschung. Franco Marini oder Lamberto Dini? Napolitano steht nun nicht nur vor der schwierigen Aufgabe die Parteien von der Notwendigkeit der Übergangsregierung zu überzeugen, er muss auch einen finden, der diese führen kann. "Solch eine politische Figur bietet sich im Moment nicht zwingend an", sagt Politologe Maruhn. Grasse dagegen schweben zwei mögliche Kandidaten vor: Franco Marini, Senatspräsident vom Mitte-Links-Flügel und Lamberto Dini, der unter Romano Prodi Außenminister war und zur unabhängigen Mitte gezählt wird.