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Straße zur Glückseligkeit

Silke Oppermann13. Dezember 2007

In weniger als 30 Jahren hat sich die Rubljovka von einer schmalen Landstraße in eine streng bewachte Glitterwelt verwandelt. Das sorgt für sozialen Sprengstoff, wie ein eindrucksvoller Dokumentarfilm zeigt.

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Gelber Porsche wird von russischem Polizist überprüft - im Hintergrund ein Kameramann (Bild:GMfilms)-
Neureiche verändern die Welt an der RubljovkaBild: GMfilms Michael Höfner

Die Rubljovka ist die wohl am stärksten bewachte Landstraße der Welt. Sie ist Putins Wegstrecke zum Kreml, auch Präsidentenstraße oder Millionärsmeile genannt. Die Chaussee, die von Moskau aus in westlicher Richtung in die russische Provinz führt, zog in allen Zeiten wie ein Magnet die Mächtigen und Reichen an: Zaren, Diktatoren und Präsidenten. Heute wohnen hier, vom Sicherheitsdienst FSB und bewaffneten Wachleuten abgeschirmt, Showstars, Wirtschaftsbosse und auch der russische Präsident Wladimir Putin.

Die Grundstückspreise betragen bis zu 20 Millionen Dollar - arme Alteingesessene werden da schon mal durch Brandschatz aus ihren Holzhütten vertrieben. Das alles erzählt der faszinierende, preisgekrönte Dokumentarfilm "Rubljovka - Straße zur Glückseligkeit", den Irene Langemann unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Russland-Korrespondenten Gerd Ruge drehte.

Abgeschirmt hinter Mauern und Panzerglaslimousinen

Filmplakat - Präsident Wladimir Putin reitet in edlen Gewändern auf einem prächtigen Pferd. (Bild: GMfilms)
Den sozialen Wandel erforschen - das war Ziel der Regisseurin LangemannBild: GMfilms

Im Oktober dieses Jahres sagte Langemann im Rahmen der Viennale, dem Wiener Filmfestival: "In meiner Erinnerung aus den 80er Jahren war die Rubljovka eine idyllische Landstraße, an der die sowjetische Crème de la Crème ihre Datschen von Väterchen Staat zugewiesen bekam." Bei einer Recherchereise im Jahr 2005 habe sie festgestellt, dass sich die schmale, zweispurige Landstraße in eine Glitzerwelt verwandelt habe, in der sich Neureiche hinter Mauern, Panzerglaslimousinen und streng bewachten, abgeriegelten Siedlungen verbargen.

Diesen "Hochsicherheitstrakt" rechtfertigten die Reichen mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. "Diese rasante gesellschaftliche Veränderung eines dreißig Kilometer langen Landstrichs war für mich der zündende Funke zur filmischen Erforschung dieses Phänomens", sagte Langemann.

Neureiche und darbende Arbeiter leben nebeneinander

In impressionistischen Szenen, bei teilweise dämonischer Musik und unter Verzicht auf direkte eigene Kommentare, lässt die Autorin und Regisseurin Langemann, selbst 1959 in Sibirien geboren und 1990 nach Deutschland ausgewandert, den bizarren Mikrokosmos der Straße aufleben. Wie unter einem Brennglas scheinen dort die Kontraste zwischen enthemmtem Reichtum sowie darbenden Arbeitern und Rentnern im Putin-Staat zu kulminieren.

Filmdarsteller Nikas Safronov mit seinem Putinporträt. (Bild: GMfilms)
Filmdarsteller Nikas Safronov mit seinem PutinporträtBild: Lichtfilm

Verlierer und Profiteure, Reiche und Arme sowie die Mächtigen und ihre Marionetten werden von der Kamera in ihrem Alltag begleitet, in dem sich die sozialen Gegensätze immer mehr verschärfen. Geschäftsfrau und Pelzhändlerin, das Karriere-Girl auf der Suche nach einem reichem Mann oder die Großmutter, die sich kein Gebiss leisten kann, der reicher Makler oder schlecht bezahlte Bauarbeiter - sie alle formen bei Langemann das schillernde Porträt einer im Kern aggressiven Gesellschaft, die sich gegen die Korruption kaum wehren kann.

Dreharbeiten vom russischen Geheimdienst behindert

Die Dreharbeiten seien mühsam erkämpft worden, heißt es von Seiten der deutschen Film-Verantwortlichen. Trotz Tarnung als russische Produktion und letztendlicher Genehmigung habe es immer wieder massive Störungen durch Polizei, FSB und Leibwächter gegeben. Manches sei mit versteckter Kamera aufgenommen worden. So bildet "Rubljovka" auch Langemanns persönliches, wehmütiges Resümee der aktuellen Lage in Russland, das sie als "gelenkte Demokratie" bezeichnet, die unter Putin immer mehr "diktatorische Züge" gewinne.

"Vor siebzehn Jahren hatte ich Russland wegen seines menschenverachtenden Systems verlassen", sagt Langemann. "Unter Jelzin war das Riesenreich auf halbem Wege zur Demokratie, heute ist die Staatsordnung autoritärer als in den letzten Jahrzehnten der Sowjetära."

Die Regisseurin Irene Langemann

Langemann studierte Schauspielkunst und Germanistik an der Tschepkin-Theaterakademie in Moskau. Seit 1980 war sie dort Schauspielerin, Regisseurin und Theaterautorin, ab 1983 arbeitete sie für das russische und später für das deutsche Fernsehen. Zu ihren Filmen gehören: Nirgendwo verwurzelt - Aussiedlerschicksale (1993), Russlands Wunderkinder (2000), Die Martins-Passion (2003), Im Sibirien Polens (2005).