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"Der Korruption in Kroatien muss ein Ende gesetzt werden"

22. November 2007

Am Rande eines Deutschlandbesuchs sprach Kroatiens Präsident Stjepan Mesic mit der DW über die bevorstehenden Wahlen in seinem Land und die mögliche Destabilisierung der Region durch ein unabhängiges Kosovo.

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Präsident Stjepan MesicBild: AP

DW-Kroatisch: Herr Präsident, unmittelbar vor den Parlamentswahlen in Kroatien am kommenden Sonntag liefern sich die rechtskonservative HDZ von Ministerpräsident Ivo Sanader und die sozialdemokratische SDP ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Inwieweit wäre eine große Koalition dieser beiden Parteien eine reale und erwünschte politische Option für Ihr Land angesichts der anstehenden Herausforderungen wie dem EU-Beitritt und notwendiger Reformen?

Stjepan Mesic: Oft werde ich beschuldigt, dass ich mir eine große Koalition zwischen der HDZ und SDP wünsche. Das stimmt aber nicht. Ich versuche, mir eine reale Situation vorzustellen. Wenn keine dieser beiden großen Parteien in der Lage sein sollte, eine logische Koalition zu bilden, bleiben zwei Möglichkeiten übrig: Entweder die gemeinsame große Koalition nach einer klaren Absprache, was die strategischen Ziele sind, wer für welchen Teil der politischen Aufgaben zuständig ist und bis wann diese erledigt sein sollen, oder Neuwahlen. Die Neuwahlen würden sehr teuer, und die Machtverhältnisse blieben gleich. Erst nach einer gewissen Amtszeit der großen Koalition könnte man sehen, wer erfolgreicher bei der Erledigung der übernommenen Aufgaben war. Danach könnte man neu wählen lassen. Das muss nicht zwingend nach zwei oder drei Jahren sein, das kann auch nach dem EU-Beitritt Kroatiens sein. Also: ich plädiere nicht für eine große Koalition, aber ich sage: Sie ist eine Option.

Warum gelingt es der kroatischen Regierung nicht, eine der größten Hürden für die europäische Integration des Landes aus dem Weg zu räumen – die Korruption?

Der Kampf gelingt uns deshalb nicht, weil die Korruption ganz oben bei den öffentlichen Ausschreibungen und der öffentlichen Beschaffung beginnt. Und da ist der Staat, da sind die staatlichen Strukturen immer mit von der Partie. Und wenn man bei der Korruptionsbekämpfung tief durchgreifen würde, wären viele betroffen und keiner wüsste, wo das Ganze enden würde. Deshalb wird der Kampf gegen die Korruption eine der Hauptaufgaben der neuen Regierung nach diesen Wahlen. Denn sie ist offenkundig, man kann sie nicht wegreden. So werden beispielsweise offene Stellen ohne Ausschreibungen besetzt, Millionen schwere Aufträge werden jenseits des Wettbewerbs vergeben. Familiäre oder finanzielle Beziehungen oder Abhängigkeiten führen bis in die Staatsspitzen. Dem muss man nach den Wahlen ein Ende setzen. Anderenfalls gibt es keinen weiteren Fortschritt auf dem Weg in die EU.

Würde Ihr Land eine selbsterklärte Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen?

Eine Art des Grundlagenvertrages zwischen Serbien und dem Kosovo nach Vorbild der beiden deutschen Staaten ist eine Idee, die in Kroatien guten Anklang findet. Die BRD sagte damals, sie werde die DDR nie als Ausland betrachten. Es gab keine Botschafter, wie bei zwei souveränen Staaten, lediglich ständige Regierungsvertreter. Man sollte versuchen, ein ähnliches Modell für die Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zu finden. Sicherlich: Damit impliziere ich die Unabhängigkeit des Kosovo. Wird Kroatien die selbsterklärte Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen? Eines ist sicher: Wir wollen der EU beitreten und werden dasselbe tun wie die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der EU. Die Unabhängigkeit des Kosovo würde, wenn überhaupt, nur kurzfristig und geringfügig zu einer Destabilisierung der Region führen, aber im Prinzip würde sie den Staatsbildungsprozess auf dem Balkan zu Ende bringen und somit zur Stabilisierung dieses geopolitischen Raums führen.

Ist die Furcht gerechtfertigt, dass auch die bosnische Serbenrepublik nach dem Kosovo eine Unabhängigkeit und die Abspaltung von Bosnien-Herzegowina anstreben wird?

Zwischen dem Kosovo und der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina gibt es enorme Unterschiede. Das Kosovo war schon immer eine eigenständige Entität. Im ehemaligen Jugoslawien war es quasi im Rang einer Teilrepublik. Seine Eigenständigkeit und, wenn Sie so wollen, seine Autonomie ist historisch begründet. Die Republika Srpska ist dagegen das Ergebnis eines brutalen Krieges und der ethnischen Säuberung. Ihre Väter sitzen in Den Haag oder im Wartesaal des Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Ihre Autonomie ist nur eine Illusion. Es ist eine Weiterentwicklung des Friedensvertrages von Dayton erforderlich, damit Bosnien-Herzegowina endlich zu einem funktionierenden Staat wird. Und der Schlüssel für die Lösung der Staatskrise in Bosnien-Herzegowina liegt eindeutig in Belgrad und zum Teil in Moskau. Den Serben in Bosnien-Herzegowina muss man endlich sagen, dass ihr Platz dort ist, dass ihre Hauptstadt Sarajewo ist und dass es keine Reserveheimat gibt. Aus Belgrad ist so etwas noch nie gesagt worden. Dasselbe gilt auch für das Kosovo.

Das Interview führte Goran Goic, DW-Kroatisch