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Trash-TV und Quotenwahn

Jörg Taszman15. November 2007

Ein neuer Film karikiert den Alltags-Wahnsinn im TV. "Free Rainer" zielt auf Gameshows jenseits der Schmerzgrenze: Produzent Rainer sucht in seiner Show das "Superbaby". Aber er macht eine seltsame Verwandlung durch ...

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Mann schmeißt Fernseher aus dem Fenster
Lieber gar kein TV als das übliche Programm: Rainer entsorgt seinen FernseherBild: Amélie Losier

Normalerweise versuchen Filmemacher alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ihre Produktionen zu finanzieren. Auch Gelder von Fernsehanstalten werden gerne genommen. Nicht so bei Hans Weingartner. Auf deutsche TV-Gelder hat der in Berlin lebende Österreicher für seinen neuen Film "Free Rainer“ verzichtet. Denn darin rechnet er ab mit dem täglichen TV-Wahnsinn: Titelheld Rainer produziert die Show "Hol dir das Superbaby“. Und Kandidatin Mareike darf für 28 Tage - einen ganzen weiblichen Zyklus lang - in einem Wellness-Hotel schwimmen, relaxen, sich verwöhnen und massieren lassen. Und dann mit Heiko, dem Mann für das optimale Erbgut, das optimale Kind zeugen.

5500 Haushalte entscheiden über das Fernsehprogramm

Free Rainer Dein Fernseher lügt
TV-Produzent Rainer (Moritz Bleibtreu) beginnt einen Guerilla-Feldzug gegen die quotenbesessene Unterhaltungsindustrie

Für diesen Fernseh-Wahnsinn ist Rainer verantwortlich. Starschauspieler Moritz Bleibtreu verkörpert ihn als Zyniker, der vor allem Erfolg, eine blonde Freundin und ein schnelles Auto hat. Rainer ist ständig auf Koks und schert sich nicht um die Menschen, die er mit seinen TV-Shows bloßstellt . Doch dann hat er einen Autounfall und landet schwer verletzt im Krankenhaus. Danach ist nichts mehr wie es war. Rainer wird vom schlechten Gewissen geplagt, versucht sich an einem Fernsehen mit mehr Qualität und gibt frustriert seinen Job auf. Immer mehr bemerkt er, wie abhängig das Fernsehen von der Quote ist.

Völlig konsterniert stellt er fest, dass in nur 5500 deutschen Haushalten die Boxen stehen, mit denen die Quote gemessen wird. Dass vielleicht 13.000 Leute entscheiden, was 80 Millionen sehen müssen. Und dass keine einzige von diesen Boxen bei Ausländern steht. Und dann gibt der gewandelte Rainer sein ganzes Vermögen dafür aus, die Quoten zu manipulieren.

Mit Hartz-4-Empfängern auf Kultur-Kurs

Er schart eine bunte Truppe von Hartz-4-Empfängern um sich, um Quotenboxen bei ahnungslosen Probanden zu platzieren. So manipulieren Rainer und sein Team die offiziellen Messergebnisse. Das Konzept geht auf. Und das Wunder geschieht: Plötzlich wird Qualitätsfernsehen zum Renner, viele Deutsche bilden sich per TV oder schalten einfach die Glotze ab. Ein ganzes Land wacht auf.

Tatsächlich möchte Regisseur Hans Weingartner mit seinen Kinofilmen etwas verändern. Und so will er das öffentlich-rechtliche Fernsehen dazu bewegen, vom Quotenwahn wegzukommen. "Es ist absurd“, findet der Regisseur - und fordert, für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gar keine Quoten mehr zu erheben. Statt dessen sollten die gebührenfinanzierten Sender sich ihre Unabhängigkeit leisten - als ein Stück Kultur. Wir brauchen, so Weingartner "Intelligenz und Geisteshaltung, egal ob es jemand schaut oder nicht“.

Anarchie für die Kinolandschaft

Free Rainer Dein Fernseher lügt
Moritz Bleibtreu als Kämpfer gegen den QuotenterrorBild: Hans Weingartner

Auch wenn die Pauschalkritik am Fernsehen durchaus angebracht ist, so kann Regisseur Hans Weingartner mit seinem neuen Film diesmal nur bedingt überzeugen. Die Geschichte um den zynischen TV-Produzenten ist eine reine Karikatur und völlig überzogen. Und "Free Rainer“ ist zwar unterhaltsam, aber als Film deutlich kommerzieller angelegt als Weingartners bisherige Arbeiten. "Die fetten Jahre sind vorbei“ war ein witziges Anti-Kapitalismus-Märchen, in dem unbekümmerte junge Leute den Superreichen die lange Nase zeigten. Ein bisschen von dieser Anarchie steckt auch in "Free Rainer“. Und kann dem deutschen Kino nicht schaden.