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Erdogan bei Bush

Mechthild Brockamp6. November 2007

Der türkische Ministerpräsident Erdogan versuchte in Washington vergeblich, das Ja zu einem Einmarsch in den Nordirak zu bekommen. Insgesamt hat er mit seinem Besuch wenig erreicht, meint Mechthild Brockamp.

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Bild: DW

Für US-Präsident Bush war die Sache klar: Die PKK im Nordirak sei eine terroristische Organisation, und der gemeinsame Feind der USA und der Türkei. Starke Worte, mehr nicht. Denn eines will Bush auf keinen Fall: Den gemeinsamen Feind in der einzigen befriedeten Region des Irak - dem kurdischen Norden - militärisch bekämpfen. Ministerpräsident Erdogan hingegen, der innenpolitisch enorm unter Druck steht, droht zwar mit einem Einmarsch, sähe es aber lieber, wenn die USA eingreifen würden.

Erdogan ist bewusst, dass er diesen Kampf nicht gewinnen kann. Mehr noch: Ein türkischer Einmarsch im Nordirak könnte einen Bürgerkrieg zur Folge haben. 100.000 türkische Soldaten sind inzwischen zwar an der Grenze aufmarschiert, aber noch ist es nur eine Politik des Säbelrasselns und der begrenzten Kampfeinsätze.

Bush sitzt zwischen allen Stühlen

Auch Präsident Bush steckt in einem hausgemachten Dilemma, er sitzt zwischen allen Stühlen: Der NATO-Verbündete Türkei erlaubt den USA seit Jahren, den Luftwaffenstützpunkt Incirlik zu benutzen, der den Nachschub in den Irak und nach Afghanistan sichert - die Türkei beansprucht deshalb nun völlig zu Recht Hilfe. Gegenüber den Kurden Iraks aber versteht sich Amerika als Schutzmacht, was Reibungen mit Ankara unvermeidlich heraufbeschwört.

Und dann ist da noch die iranisch-kurdische PJAC, ein Ableger der PKK, die von den USA mit Waffen versorgt wird und Anschläge im Iran verübt. Wie sollte das US-Militär im Fall eines Waffengangs zwischen PKK und PJAC-Kämpfern unterscheiden? Für die USA ist der gesamte Mittlere Osten zum Krisengebiet geworden, ein Fehlschlag der eigenen Strategie. Ein neuer Kriegsherd im Nordirak würde das Debakel vervollständigen.

Washington und Ankara betreiben Schadensbegrenzungt

Auch deshalb hat der türkische Ministerpräsident in Washington, zumindest gemessen an seinem offiziellen Anspruch, wenig erreicht. US-Präsident Bush hat ihm lediglich zugesichert, dass die USA Ankara mehr Zugang zu genauen Geheimdienstinformationen über die PKK gewähren. Konkret heißt das, dass die USA unter anderem Informationen über Geldflüsse der PKK und den Personentransit an Flughäfen an den türkischen Geheimdienst weiterleiten wollen.

Dass sich Erdogan damit zufrieden gab, lässt den Schluss zu, dass beide nun auf Zeit spielen. Denn im Nordirak steht der Winter bevor. Dann zieht sich die PKK in die Berge zurück. Die Angriffe auf türkisches Gebiet lassen nach, und die explosive Stimmung in der türkischen Bevölkerung könnte sich bald wieder beruhigen. Erdogan und Bush üben sich also in Schadensbegrenzung.

US-Politik spielt türkischen Generälen in die Hände

Der türkische Ministerpräsident steht nun vor dem Problem, der Bevölkerung und den Generälen die US-Zusagen als Erfolg zu verkaufen. Denn das türkische Militär verfolgt eigene Interessen im PKK-Konflikt. Es betreibt bewusst Kriegshetze, um dem Demokratisierungsprozess im Land zu schaden. Den türkischen Generälen spielt die US-Politik im Irak direkt in die Hände.