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Politik gegen Schnaps

Jörg Paas27. Oktober 2007

Der Sumpf in der rumänischen Politik ist tief. Jetzt ist ein Minister der Korruption überführt worden. Zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Brüssel hatte dem neuen EU-Mitglied bereits mit der Kürzung von Beihilfen gedroht.

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Frau pinnt kleine EU-Flagge neben eine große Rumänienflagge (Quelle: AP)
Brüssel droht mit der Kürzung von Geldern, falls Rumänien sein Korruptionsproblem nicht in den Griff bekommtBild: AP

Rumänien steckt seit Monaten in der politischen Krise. Der Kampf gegen die Korruption spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ein Thema, bei dem viele Politiker sich an die eigene Nase fassen könnten – denn nicht wenige von ihnen stehen unter Verdacht, fleißig in die eigene Tasche zu wirtschaften. Erst vor kurzem sorgte der Fall eines Ministers im Land für Empörung: Das Staatsfernsehen hatte Aufnahmen ausgestrahlt, die ihn eindeutig der Korruption überführten.

Die Video-Aufnahme ist verwackelt, der Ton schlecht, doch die Szene brisant: ein Minister, in flagranti erwischt bei der Annahme von Schmiergeld – heimlich aufgenommen und dann gezeigt im staatlichen rumänischen Fernsehen: "Gib mir doch mal die Tasche rüber, da ist der Umschlag drin", sagt der eine Mann am Tisch im Gartenlokal. "Nein, lass das lieber", entgegnet der andere, offenbar noch etwas unsicher. Aber dann vergisst er alle Vorsichtsmaßnahmen.

Wurst und Schnaps für Gefälligkeiten

Inzwischen ist ihm das zum Verhängnis geworden. Decebal Traian Remes musste als Landwirtschaftsminister zurücktreten, nachdem bekannt wurde, dass in dem Umschlag 15.000 Euro steckten – als Gegenleistung für eine politische Gefälligkeit. Und der Minister bekam offenbar noch mehr: hundert Liter Schnaps zum Beispiel, außerdem Wurst und Fleisch in allen erdenklichen Mengen, wie aus abgehörten und ebenfalls veröffentlichten Telefonaten hervorgeht.

Symbolbild: Waage - auf einer Waagschale liegen aufeinandergestapelte Geldbündel (Quelle: AP)
Bei der Verfolgung der Korruption lässt sich die rumänische Justiz ZeitBild: AP

Die Affäre Remes trifft Rumänien zu einem heiklen Zeitpunkt. Wenige Tage zuvor hat die EU dem Neu-Mitgliedsland mit der Kürzung von Agrarbeihilfen gedroht, wenn gravierende Mängel im Verwaltungs- und Kontrollsystem nicht umgehend behoben werden. Bis zum 9. November bleibt der Regierung in Bukarest Zeit, die Kürzung um immerhin rund 100 Millionen Euro abzuwenden. Wenig Zeit also zum Einarbeiten für den Nachfolger des korrupten Ministers.

Justiz verschleppt Strafverfolgung

Remes selbst hat nun hingegen als Politrentner erst einmal viel Zeit, um Fleisch und Schnaps zu konsumieren. Gut möglich zwar, dass irgendwann Anklage gegen ihn erhoben wird wegen Bestechlichkeit. Aber ob es dann wirklich zum Prozess kommt, ist fraglich. Die unter dem Druck der EU aufgebaute Fassade der Rechtsstaatlichkeit droht in Rumänien zu bröckeln. Die Nationale Antikorruptionsbehörde, eigens geschaffen, um Bestechung und Vorteilsnahme auf höchster politischer Ebene zu verfolgen, leistet zwar gute Arbeit. Aber die Prozesse kommen nicht recht voran.

Innenraum des rumänischen Parlaments (Quelle: Cristian Stefanescu)
Der Streit zwischen Präsident und Regierung behindert die Bekämpfung der KorruptionBild: Cristian Stefanescu

Doro Tulus, leitender Staatsanwalt bei der Antikorruptionsbehörde, beklagt, dass die Justiz viele Verfahren, gerade gegen Politiker, immer wieder unnötig verschleppe: "Es gibt Fälle, da ist nach zwei Jahren noch nicht einmal die Anklageschrift verlesen, und der erste Prozesstag ist schon 14 oder 15 mal verschoben worden. Leider können wir als Staatsanwälte nichts dagegen tun. Das sind Gesetzeslücken, die von den Rechtsanwälten der Politiker ausgenutzt werden."

Geschwächt wird die rumänische Antikorruptionsbehörde auch durch den Machtkampf zwischen Präsident und Regierung. Anders lässt es sich wohl auch nicht erklären, dass Beweismittel wie im jüngsten Fall immer wieder ins Fernsehen gelangen. Denn nur die Staatsanwaltschaft ist berechtigt, Verdächtige mit versteckter Kamera zu filmen und ihre Telefongespräche abzuhören.