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Serbien und Kosovo: Mögliche Verständigung im Wirtschaftsbereich?

6. September 2007

Trotz aller Differenzen sieht der Wiener Wirtschaftsexperte Vladimir Gligorov gemeinsame Perspektiven für Serbien und Kosovo: Er plädiert für eine "institutionalisierte Partnerschaft" zwischen Belgrad und Pristina.

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Bild: dpa

Vladimir Gligorov ist Professor am Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche in Wien. Sein Spezialgebiet ist die wirtschaftliche Entwicklung der ehemaligen Staaten Jugoslawiens. Was die Zukunft des Kosovo angeht, macht er sich keine Illusionen – und plädiert für Pragmatismus. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erläutert der Wirtschaftsfachmann seine Vision der Zusammenarbeit zwischen Belgrad und Pristina: "Serbien wird die kosovarischen Gebiete nicht mehr zurückerhalten. Und wenn das so ist, sollte man nicht mehr auf die formelle Souveränität Serbiens auf diese Gebiete pochen, denn das birgt nur zusätzliches Konfliktpotenzial. Viel besser wäre meiner Meinung nach stattdessen eine Art Partnerschaft zwischen beiden Ländern, wobei jedes Land für die eigene wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich wäre", meint Professor Gligorov.

Know-how aus Serbien für Kosovo

Von dieser Partnerschaft würden beide Seiten profitieren. Nach Meinung Gligorovs könnte man auf diese Weise die Lage vor Ort stabilisieren. Die stabile Lage würde automatisch zu mehr Investitionen der westeuropäischen Länder führen, erklärt der Wirtschaftsexperte. Dank der Tatsache, dass Serbien im Schnitt besser ausgebildete Fachkräfte und ausgezeichnete Kenntnisse der Situation Kosovos habe, könnte Belgrad als eine Art "verlängerter Arm" des Westens, der westlichen Investoren, fungieren. Serbien selbst könnte auch im Kosovo investieren, zum Beispiel in die Infrastruktur, Wohnhäuser, Schulen, aber auch in andere Wirtschaftssektoren, meint der Wiener Fachmann: "Ein wichtiger Wirtschaftszweig, der im Kosovo noch entwickelt werden muss, ist das Bankwesen. In diesem Sektor sind gut ausgebildete Fachleute der wichtigste Erfolgsfaktor", so Gligorov. Er hebt aber hervor: "Geldströme in den Kosovo sind sehr umfangreich: als Einzahlungen aus dem Ausland, als finanzielle Hilfe, als Investitionen…diese Tatsache ist sehr reizvoll, sowohl für die Banken als auch für gute Banker aus Serbien, die eventuell im Kosovo als Manager oder Berater eingesetzt werden könnten".

Keine Diskriminierung mehr?

Es bleibt abzuwarten, ob die albanische Seite es akzeptieren würde, dass serbische Staatsangehörige die entscheidenden Positionen in kosovarischen Banken und Fabriken besetzen. Aus Belgrad hat man schon öfter die Klage gehört, eines der wichtigsten Probleme im Kosovo sei die Diskriminierung der serbischen Bevölkerung – im Alltag, aber auch im Wirtschaftsleben. Vladimir Gligorov ist der Meinung, dass die Diskriminierung mit der Zeit verschwinden wird: "Wenn die Lage im Kosovo stabilisiert wird, wenn beide Länder (Serbien und Kosovo) tatsächlich eine Mitgliedschaft in europäischen Integrationsmodellen anstreben, dann werden sie gewisse EU-Normen akzeptieren müssen. Alle Beitrittskandidaten müssen die Prinzipien der regionalen Zusammenarbeit akzeptieren, und sie müssen garantieren, dass die Bürger aus anderen Beitrittskandidaten-Ländern nicht diskriminiert werden."

"Wirtschaft duldet keine Unsicherheiten"

Der freie Austausch von Waren und freie, grenzüberschreitende Bewegungen der Bevölkerungen können nicht aufgehalten werden, meint Gligorov. Sie könnten weder von den nationalen noch von anderen Faktoren gestoppt werden. Die Liberalisierung der Märkte sei die Zukunft in der Region. Von Serbien und vom Kosovo hänge es nun ab, ob sie sich dafür sofort oder erst in zehn Jahren entschieden. Eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Liberalisierung sei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Kosovo, betont Gligorov. Wirtschaft dulde keine Unsicherheiten: "Die Europäische Union bildet deswegen derzeit eine größere Anzahl von Fachleuten für Administration, Justizwesen und den Sicherheitssektor aus. Mit der Lösung des endgültigen Status Kosovos, so hofft die EU, wird es wohl auch mehr politische Verantwortung vor Ort geben".

Das Gespräch führte Emir Numanovic
DW-RADIO/Serbisch, 4.9.2007, Fokus Ost-Südost