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Kalter Krieg in Georgien?

Andreas Leixnering19. August 2007

Im Raketenstreit zwischen Georgien und Russland beziehen die USA klar Stellung. Die Parteinahme für die Kaukasus-Republik hat Tradition. In keiner Ex-Sowjetrepublik engagieren sich die Amerikaner so wie in Georgien.

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Trümmer der Rakete am Einschlagsort unweit von Tiflis (Quelle: AP)
Wer hat sie fallen gelassen? Trümmer der Rakete am Einschlagsort, unweit von TiflisBild: AP

Jackie Sanders, stellvertretende UN-Botschafterin der USA, musste am Donnerstag (16.8.) klein beigeben. Sie wollte den Streit um den Raketenabwurf in Georgien vor den Sicherheitsrat bringen. Das Land solle die Chance haben, hier seine Sicht der Dinge vorzutragen. Doch erwartungsgemäß lehnte Russland ab. Dafür sei es viel zu früh, antwortete Witali Tschurkin, Moskaus Mann bei der UN. Man solle doch bitte den Besuch der russische Militärdelegation abwarten, die zu Gesprächen über den Vorfall in der georgischen Hauptstadt Tiflis weile. Die kam inzwischen zum Ergebnis, dass es keine eindeutigen Beweise für einen russischen Ursprung der Rakete gäbe. Anders als internationale Experten im Auftrag Georgiens, die ein Flugzeug aus Russland für den Abwurf verantwortlich gemacht hatten.

Dicke Luft im Kaukasus

Der Zwischenfall um die Rakete, die ohne zu explodieren am 6.8. nahe von Tiflis auf einem Acker niedergegangen war, ist der neueste Akt im Dauerzwist Georgien vs. Russland. "Keine zwischenstaatliche Beziehung im GUS-Raum ist derart angespannt, sieht man einmal von der Fehde zwischen Armenien und Aserbaidschan ab", sagt Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Georgiens Staats-Chef Michail Saakaschwili (Quelle: AP)
Will unbedingt in die NATO: Georgiens Staats-Chef Michail SaakaschwiliBild: AP

Das liege einmal daran, dass keine andere postsowjetische Republik so sehr nach Westen dränge wie Georgien, erklärt der Kaukasus-Spezialist. Seit der Rosenrevolution im Jahr 2003 sind die Aufnahme in die NATO und sogar ein EU-Beitritt erklärte Ziele von Staatspräsident Saakaschwili. Russland interpretiere diese Politik als Feindseligkeit gegenüber Moskau. Ihren Ursprung habe dies wiederum in den ungelösten Konflikten um die abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien. Beide proklamierten nach Zerfall der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit von Georgien. Tiflis akzeptierte nicht, ein blutiger Bürgerkrieg folgte. Moskau unterstützt seitdem die Sezessionsbewegungen in beiden Regionen indirekt durch Finanzhilfen und verteilt russische Pässe an die Einwohner.

Bush: Georgien ist "Leuchtfeuer der Freiheit"

Ist Russland ärgster Gegner, so sind die USA die engsten Verbündeten Georgiens. Nach den Feierlichkeiten zum Sieg über den Faschismus am 9. Mai 2005 in Moskau besuchte US-Präsident George Bush demonstrativ den Kaukasus-Staat. Seitdem lächeln Bush und Saakaschwili noch in der georgischen Provinz händeschüttelnd von riesigen Plakaten herab und heißt die Autobahn zum Flughafen von Tiflis, "George W. Bush-Avenue". Umfragen bei der Bevölkerung bestätigen das starke Vertrauen gegenüber dem "Partner USA".

USA rüsten Georgien auf

Und der Partner lässt sich nicht lumpen. "Ohne Hilfe der Amerikaner hätte sich das Georgische Militär niemals in derart kurzer Zeit komplett erneuern können", sagt Politikwissenschaftler Halbach. In der kurzen Zeit seit der Revolution sei es von einer "Operetten-Armee" zu einer Streitmacht aufgebaut worden. Rüstungsgüter, militärische Ausbilder, Geld: Allein dieses Jahr haben die Amerikaner eigenen Angaben zufolge 34 Millionen für das Militärbudget spendiert. Tiflis dankte dies mit der Ankündigung, die georgischen Truppen im Irak von 850 auf 2000 Mann aufzustocken - in einer Zeit, in der sich die meisten anderen US-Verbündeten zurückziehen.

Terrorangst und Energiehunger der Amerikaner

Begeisterter Empfang: Der US-Präsident (r.) und sein georgischer Kollege (l.) vor dem Parlament in Tiflis (Quelle: AP)
Begeisterter Empfang: Der US-Präsident (r.) und sein georgischer Kollege (l.) vor dem Parlament in TiflisBild: AP

Wie Uwe Halbach erklärt, verstärkten die USA ihr Engagement in Georgien kurz nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001. "Die US-Regierung fürchtete sich vor einem 'Failing State' Georgien, was es zu der Zeit auch war." Vor allem das berüchtigte Pankissi-Tal im Nordosten Georgiens zog seit den 1990er Jahren Kriminelle und Terroristen an. Die USA hätten eine weitere territoriale Destabilisierung verhindern wollen, so Halbach. "Das traf sich damals sogar mit russischen Interessen, denn im Pankissi-Tal hielten sich auch tschetschenische Rebellen auf." Heute sei die energiepolitische Agenda der USA im kaukasischen Raum eine wesentlicher Grund für die Beziehungspflege. "Die zentrale Funktion Georgiens als Transitland für Energietransporte hat Washington klar im Blick." Von Interesse sei hier vor allem die Baku-Tbilissi-Ceyhan-Pipeline, die Europa und die USA mit Öl vom Kaspischen Meer versorgt.

Unterstützung in Grenzen

Dr. phil. Uwe Halbach (Quelle: Stiftung Wissenschaft und Politik)
Dr. phil. Uwe Halbach forscht bei der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Doch bei allem Engagement: In die innen- und außenpolitischen Konflikte Georgiens lassen sich die USA ungern reinziehen. In kritischen Momenten hält sich Washington im Hintergrund. Wie im Herbst 2006, als russische Offiziere in Georgien wegen Spionage-Vorwürfen verhaftet wurden und Moskau mit einem Wirtschaftsembargo und Ausweisungen von Georgiern reagierte. In einen Konflikt militärischer Art würden sich die USA ohnehin nie hineinziehen lassen, meint Uwe Halbach. Im Gegenteil: Es gebe durchaus Bemühungen der Amerikaner, Georgien im Konflikt mit Russland zur Vorsicht zu mahnen. Aber dies nehme Russland nicht wahr.

Dass Washington jedoch bei der Lösung der Reibereien zwischen Tiflis und Moskau helfen könnte, hält der Kaukasien-Spezialist Halbach ebenso für unwahrscheinlich. "Dazu werden die USA in Russland zu sehr als Gegenspieler wahrgenommen, dafür ist das geopolitische Drama um die Einflussnahme in der Region schon zu sehr herbeigeredet worden." Es sei Aufgabe anderer internationaler Akteure wie der EU und der OSZE hier mehr als bisher mäßigend Einfluss zu nehmen.