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Kredit per Mausklick

Stefan Dietrich 20. Juli 2007

Wer Kleinunternehmern in Entwicklungsländern mit Darlehen helfen will, braucht dazu nur noch wenige Mausklicks - die US-Organisation Kiva macht's möglich. Experten sehen das Konzept allerdings kritisch.

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Kiva-Kreditnehmerin in ihrem Laden, Quelle: Kiva.org
Händlerin Ahou Brigitte von der Elfenbeinküste hofft auf Geld durch KivaBild: kiva.org

Die Fischhändlerin Beoung Mouy aus Kambodscha wünscht sich ein neues Fischernetz für ihren Mann. In Mexiko will Rebeca Guerrero Saucedo einen Geschäft für Second-Hand-Kleidung aufmachen. Und Ahou Brigitte will ihr Kosmetikgeschäft an der Elfenbeinküste ausbauen. Drei Frauen aus drei Erdteilen benötigen Geld. Und alle drei haben sich an Kiva.org gewandt. Auf der Website der amerikanischen Hilfsorganisation finden sich fast 14.000 ähnliche Fälle: Menschen, die zum Auf- oder Ausbau eines kleinen Betriebes um Darlehen von 300 bis 1200 Dollar gebeten haben. Auf Fotos sieht man die Bittsteller, oft sind es Frauen in kleinen Läden oder an Marktständen inmitten ihrer Waren. Neben den Bildern zeigen grüne Balken, wie viel Prozent der Summe schon eingesammelt sind.

"Spender" können sich Kreditnehmer aussuchen

Die Grundidee ist einfach: Schon kleine Darlehen können Menschen in Entwicklungsländern helfen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Seit Jahrzehnten fördern Institutionen wie die kirchliche Genossenschaft Oikocredit solche Mikrokredite. Neu an Kiva.org sind die konsequente Nutzung des Internets und dass die Kredit-Bewerber derart im Mittelpunkt stehen. Kreditgeber suchen sich im Netz selbst aus, wem sie ihr Geld leihen möchten, "legen" den Kreditnehmer in ihren elektronischen Warenkorb und zahlen per Kreditkarte oder mit dem Online-System PayPal. Die Rückzahlung ist nicht garantiert – aber laut Kiva.org wurden bislang über 99 Prozent der Darlehen zurückgezahlt.

"Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu verbinden"

Kiva-Gründer Matt Flannery neben einer Afrikanerin, Quelle: Kiva.org
Kiva-Gründer Matt Flannery (links)Bild: kiva.org

Hinter der Idee steckt das kalifornische Ehepaar Jessica und Matt Flannery. Sie arbeitet für Mikrofinanz-Institute in Afrika, während ihr Mann in Kalifornien für eine Technologiefirma tätig war. Die weltumspannende Kommunikation via Internet und Telefon brachte beide auf die Idee, neue Technologien auch zur Vergabe von Mikrokrediten zu nutzen. Im November 2005 starteten sie Kiva.org. "Unsere Aufgabe ist es erstens, Menschen zu verbinden", erläutert Kiva-Sprecherin Fiona Ramsey, "und zweitens, Mikrofinanzorganisationen zu helfen."

Keine Zinsen für Kreditgeber

Laut Kiva gibt es rund momentan rund 78.000 Verleiher, darunter inzwischen auch Europäer. So wie Claus Lehmann aus Remagen, der ein Weblog über Privatkredite schreibt. Bei Privatkrediten werden "Banken als Mittelsmänner ausgeschaltet", lobt Lehmann. Im Unterschied zu anderen Privatkredit-Vermittlern sei Kiva konsequent sozial ausgerichtet, Kreditgeber erhalten keine Zinsen. Lehmann hat es ausprobiert: "Ich habe einfach die Projekte ausgesucht, die mich angesprochen haben. Jedem habe ich 25 Dollar gegeben. Die ersten vier Kredite wurden vor sechs Monaten zurückgezahlt."

Nach eigenen Angaben hat Kiva schon 12.000 Kredite im Gesamtvolumen von 8,2 Millionen Dollar vergeben. Das ist allerdings immer noch relativ wenig im Vergleich zu den rund 150 Millionen, die Oikocredit nach eigenen Angaben in Mikro-Darlehen investiert hat. Die neue Art der Darlehensvergabe per Mausklick à la Kiva ist dafür in Foren und Blogs äußerst populär. Bei den Kiva-Kreditgebern sind die Motive höchst unterschiedlich. Ein Blogger aus Köln etwa erhofft sich durch ein Kiva-Darlehen einen besseren Rang seiner Internetseite in den Suchmaschinen.

Expertin: Neue Abhängigkeit von westlicher Hilfe

Kiva-Kreditnehmerin mit Ehemann und Kind vor einem Fischerboot, Quelle: Kiva.org
Fischhändlerin Beoung Mouy wünscht sich ein FischernetzBild: kiva.org

Kritiker bezweifeln allerdings auch generell, ob die Kiva-Kredite langfristig den Menschen in Entwicklungsländern nützen. "Jeder kann natürlich mit seinem Geld machen, was er will", sagt Gabriela Braun, Expertin für Mikrofinanzsysteme der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. "Aber aus entwicklungspolitischer Sicht ist das, was Kiva macht, nicht sinnvoll." In den meisten Entwicklungsländern sei eigentlich genug Geld vorhanden – es müsste nur ein effektives Bankensystem aufgebaut werden. Durch Kredite unterhalb der Marktkonditionen entstehe hingegen eine neue Abhängigkeit von westlicher Hilfe.

"Wir wissen, dass wir die lokalen Märkte stören", räumt Kiva-Sprecherin Fiona Ramsey ein. "Aber wir wollen dies nur kurzfristig tun." Viele Mikrofinanz-Institute seien noch nicht in der Lage, kostendeckend zu arbeiten, argumentiert Ramsey: "Wir wollen ihnen helfen, die nötigen Strukturen aufzubauen."

Und selbst Mikrokredit-Expertin Braun bescheinigt dem System Charme. Natürlich sei es "sehr emotional, wenn man einen eigenen Kreditnehmer hat." Seit dem Friedensnobelpreis für den Mikrofinanz-Pionier Muhammad Yunus erlebe das Thema Mikrokredite ohnehin "einen ziemlichen Hype".