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Contra Rauchverbot: Meine Lunge gehört mir!

Uta Thofern30. Mai 2007

Natürlich ist Rauchen ungesund. Doch ein Rauchverbot entmündigt die Bürger, findet DW-WORLD.DE-Chefredakteurin Uta Thofern. Und wo bleiben eigentlich die Ernährungspolizei und der Volkskommissar für Leibesübungen?

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Bild: AP

Winston Churchill tat es, Ludwig Erhard tat es und Helmut Schmidt tut es immer noch. Von Figuren wie Hitler oder Pol Pot ist nicht überliefert, dass sie jemals mit etwas so Dekadentem wie einer Zigarre oder Zigarette gesehen wurden. Im Iran wird öffentliches Rauchen übrigens auch nicht mehr gern gesehen, besonders bei Frauen. Womit ich selbstverständlich weder unzulässige Vergleiche ziehen, noch sagen will, dass Nichtraucher zum Despotentum neigen. Der Himmel bewahre mich - und meine Karriereplanung - vor derartig politisch inkorrekten (und falschen) Äußerungen!

Doch in der Diskussion um Rauchverbote aller Art geht es nicht nur um Toleranz oder Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, sondern letztlich um den Freiheitsbegriff, den eine Gesellschaft hat, und um ihre Vorstellung von Eigenverantwortung. Natürlich ist Rauchen ungesund, und selbstverständlich können Raucher durch unverantwortliches Verhalten ihre Mitmenschen schädigen. Richtig ist auch, dass die Folgekosten im Gesundheitswesen in die Milliarden gehen. Aber diese Argumentation ist vordergründig und schnell entlarvt, wenn die Gegenrechnung aufgemacht wird.

Essen ist viel gefährlicher!

Die Tabaksteuer erbringt unter den deutschen Verbrauchssteuern die zweithöchsten Einnahmen nach der Mineralölsteuer - nicht gerechnet die Umsatzsteuer auf Tabakprodukte und die Lohn- und Einkommenssteuern, die die Tabakindustrie und ihre Beschäftigten dem Staat zahlen. Die Erlöse aus der Tabaksteuer, die in den vergangenen 30 Jahren übrigens beinahe jährlich erhöht wurde, sind in so unterschiedliche Leistungen geflossen wie die Stärkung des Gesundheitssystems und die Finanzierung von Anti-Terror-Maßnahmen.

Nein, es geht hier auch nicht um eine volkswirtschaftliche Gleichung. Wer die aufmacht, müsste nämlich auch die Folgen des Autoverkehrs von der Feinstaubbelastung über die CO2-Emissionen bis hin zu den durchschnittlich 14 Verkehrstoten täglich bilanzieren. Demnach müsste Autofahren sofort verboten werden. Essen übrigens auch, jedenfalls alles, was fett, süß, salzig oder sonst irgendwie lecker ist. Die meisten Menschen in Deutschland sterben immer noch an Herz-Kreislauferkrankungen, die durch ungesunde Ernährung und/oder zu wenig Bewegung ausgelöst werden. Wo bleiben die Ernährungspolizei und der Volkskommissar für Leibesübungen?

Eigenverantwortung? Für Bürokraten ein Fremdwort

Schließlich sind die entsprechenden Denkansätze durchaus vorhanden. Eine rasche Umsetzung in Gesetzesentwürfe scheitert vermutlich nur an der größeren Komplexität der Materie. Schließlich ist zu bedenken, dass fettes Essen in Maßen gesund sein kann, wohingegen es Formen der körperlichen Ertüchtigung gibt, die ein gewisses regelbedürftiges Gefahrenpotential bergen wie Skifahren und Reiten. Zum Glück gilt beides ebenfalls als dekadent, sodass hier mittelfristig mit einer Verbotslösung gerechnet werden darf; höhere Versicherungsprämien gibt es ja schon.

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es den bundesdeutschen Regelungsfanatikern weniger um die Sache als vielmehr um die Regulierung als solche geht. Alles, was auch nur im Mindesten von der Norm abweicht, muss, wenn nicht ganz verboten, so doch eingeschränkt werden. Dass mündige Bürger individuelle Risiken eigenverantwortlich tragen könnten, diese Vorstellung ist den staatsversessenen Bürokraten völlig fremd. Und, ganz nebenbei, mit populistischen Verboten ist es noch immer gelungen, von den wirklichen Problemen eines Landes abzulenken.

Schokoladenliebhaber im Visier?

Mit dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen des Bundes ist Deutschland auf dem Weg in den Fürsorgestaat einen großen Schritt weitergekommen. Die endgültige Entmündigung ist erreicht, wenn die Bundesländer in diesem Stil nachziehen, weil man es Gastwirten und ihren Gästen natürlich nicht selbst überlassen kann, ob sie Raucherzonen einrichten beziehungsweise aufsuchen. Wer wollte seinen Bürgern schon das Denken oder gar das Entscheiden überlassen?

Willkommen, saubere neue Welt! Ich freue mich schon auf den Eltern-Führerschein, die Rotwein-Ausnahmetrinkgenehmigung und den Zahnarzt-Bonuspunktepass, mit dem ich künftig meine monatliche Schokoladenration erwerben darf.