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Gemeinsame Äcker

Sonila Sand26. Mai 2011

Auch acht Jahre nach dem Krieg sind die ethnischen Bevölkerungsgruppen im Kosovo noch weit davon entfernt, einander zu verzeihen. Doch Sonila Sand hat bei ihrer Reise durch die Provinz auch Gegenbeispiele gefunden.

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Brücke von Mitrovica, Quelle: AP
Die Brücke von Mitrovica - Symbol der Teilung oder des Zusammenwachsens?Bild: DW/Sand

Mitrovica, einst das industrielle Zentrum der Region, ist heute eine zweigeteilte, traurige und arme Stadt, die gebannt auf die Lösung der Kosovo-Frage wartet. 130.000 Menschen leben hier, 80 Prozent sind Albaner, 20 Prozent Serben. Mitten durch die Stadt verläuft die berühmte Brücke, die hier nicht für Verbindung steht, sondern zwei Völker voneinander trennt. Diese schicksalhafte Brücke über den Fluss Ibri wird von den internationalen KFOR-Truppe bewacht.

Geländewagen der KFOR, Quelle: Sonila Sand
Stationierte KFOR-TruppenBild: DW/Sand

Die Stadt ist oft Brennpunkt von Konflikten gewesen. Am 17. März 2004 ereignete sich die größte offene und gewaltsamste Auseinandersetzung seit dem Ende des Krieges 1999. Bei Kämpfen zwischen den lokalen serbischen und albanischen Bewohnern der Stadt starben 26 Menschen innerhalb von nur zwei Tagen. Der Konflikt, der in Mitrovica anfing, breitete sich schnell im ganzen Kosovo aus: Dutzende von serbischen Häusern und mehr als 30 orthodoxe Kirchen wurden in Brand gesetzt. Seitdem stellt Mitrovica das größte ethnische Problem im Kosovo dar.

Provozierende Haltung

Im südlichen Teil der Stadt, diesseits von Ibri ist alles albanisch: die Menschen, die Straßen, die Schilder und die Musik. Sobald man die Brücke überquert, bekommt man den Eindruck, in Serbien zu sein. Die serbische Flagge weht an beinahe jedem Cafe, alle Straßen und Geschäfte sind mit serbo-kroatischer Schrift versehen, die Autos haben serbische Nummernschilder. Jeder Fremder wird genauestens beobachtet - wirklich wohl fühlt man sich auf diesen Straßen nur, wenn man in Begleitung eines Bewohners ist.

Es scheint, als ob ein friedliches Zusammenleben nicht möglich ist ohne internationale Aufsicht. Zu tief sitzt noch der Schmerz der Vergangenheit, zu groß ist noch das Gewaltpotential in einer Gegend, wo Blutrache noch eine Ehrensache ist.

"Wie früher leben können"

Oliver Ivanovic, Vorsitzender der größten serbischen Partei im Kosovo, der Liste für Kosovo und Metohija, ist Optimist und hofft, dass ein Zusammenleben funktioniert. "Das Problem ist nur, dass die Albaner die Lösung der Statusfrage als eine Art magische Formel betrachten, die alle Probleme auf einmal lösen wird", warnt Ivanovic. "Doch der Status kann nur dann die Lösung sein, wenn beide Seiten damit einverstanden sind. Ansonsten kommt es zu einem Teufelskreis, wenn eine Seite mit der Lösung nicht einverstanden ist."

Doch die junge Generation steht dem gelassen gegenüber. Viele serbische Jugendliche interessiert die Politik aus Pristina und Belgrad nicht, sie wollen einfach in Frieden leben - wie eine Studentin erzählt: "Mir wäre es am liebsten, wenn wir einen gemeinsamen Staat hätten, wo wir alle zusammen leben könnten, wo es keine Grenzen oder Brücken gibt und wir alle wie früher leben könnten."

Gemeinsame Äcker

Dass ein relativ friedliches Zusammenleben zwischen den Albanern und den Serben funktionieren kann, wird in Peja klar, der drittgrößten Stadt des Kosovo. 120.000 Menschen leben hier in fünf Gemeinden, die ethnisch gemischt sind. Wie in Brestovik, in dem schon immer Serben und Albaner gemeinsam den Acker bearbeiteten. Auch Dank verschiedener EU-Projekte für die Rückkehr von Flüchtlingen, scheint hier ein gutes Klima zu herrschen.

Azem Hyseni ist 82 Jahre alt. 1999, als die Serben seine Tochter und Enkeltochter, sowie seinen ältesten Sohn umbrachten, verließ er Brestovik und floh nach Albanien. Nach einem Jahr kam er zurück, sein Haus war inzwischen niedergebrannt. Er baute es an gleicher Stelle wieder auf. Konflikte schürt er keine: "Ich lebe in Frieden mit den Serben aus meinem Dorf, damals und heute."

275 Serben leben in Brestovik. Stevo Djavric ist einer von ihnen. Der 65-Jährige verließ sein Haus im Jahr 2000, in den Tagen als Azem Hyseni zurückkam. Nach drei Jahren kehrte er mit seiner Frau zurück und fand sein Haus und sein Stück Wald niedergebrannt. "Ich bin gar nicht traurig über mein Haus. Aber die Obstbäume, die tun mir leid, denn ich werde nicht mehr so lange leben, um sie nochmals so groß wachsen zu sehen." Jetzt hat auch er sein Haus wieder aufgebaut. Nochmals weggehen von hier möchte er nicht. "Ich habe so lange mit den Albanern hier zusammen gelebt. Drei Kriege haben wir überstanden und leben dennoch zusammen. Wir haben unsere Äcker nebeneinander, wie sollen wir da nicht kommunizieren?"