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Bei Goethe in Hanoi

Monika Dittrich26. Mai 2007

Das Goethe-Institut in Hanoi ist ein besonderer Ort. Hier ist einiges möglich, was in Vietnam sonst nicht geht. Zwischen der ehemaligen DDR und Vietnam gab es besondere Beziehungen, die bis heute nachhallen.

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Außenansicht des Goethe-Instituts in Hanoi
Außenansicht des Goethe-Instituts in HanoiBild: Goethe Institut

Unzählige Mopeds flitzen über den Asphalt, dazwischen drängeln sich Radfahrer und Autos. Menschen sitzen vor den Cafés, Frauen verkaufen Lebensmittel auf der Straße. Hier, im Zentrum der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi, hat das Goethe-Institut seinen Sitz. Die alte französische Kolonialvilla ist ein Idyll in der lärmenden Großstadt, im Innenhof bietet ein kleines Restaurant deutsches Essen an. Auf den Treppen plaudern Studenten, in den Klassenräumen pauken junge Vietnamesen deutschen Satzbau - so wie im Kurs für die Mittelstufe. Die Studenten sitzen an runden Tischen, sie sprechen über Krankheiten und lernen so Vokabeln wie Durchfall, Halsschmerzen, oder Kopfschmerzen: "Ich habe Kopfschmerzen, was soll ich tun?" Die Antwort der Studentin: "Du solltest zuhause bleiben und ins Bett gehen."

Alte Beziehungen

Die 19-jährige Viet Anh lernt in dieser Klasse schon seit ein paar Monaten Deutsch. Sie hat ein klares Ziel vor Augen: "Ich möchte in Deutschland studieren." Das wollen die meisten hier im Kurs einmal - vor allem technische Fächer wie Informatik, Maschinenbau oder Elektrotechnik.

Die Ausbildung in Deutschland sei sehr angesehen, erzählt die Lehrerin Vu Minh Trang: "Deutschland hat einen guten Ruf bei uns. Und außerdem hört die junge Generation bei uns viel von ihren Großeltern und Eltern oder Tanten und Onkeln, die mal in Deutschland gelebt haben. Von denen haben sie viel erfahren."

Skulptur im Innenhof des Instituts, Quelle: Goethe-Institut
Skulptur im Innenhof des InstitutsBild: DW

Es sind die Kinder und Enkel derjenigen Vietnamesen, die damals in der DDR studierten und arbeiteten. Die sozialistische DDR pflegte enge Kontakte zum sozialistischen Vietnam - davon ist einiges übrig geblieben. Und natürlich blieb der Untergang der DDR in Vietnam nicht unbeobachtet. Manch einer frage sich heute, was das für das eigene kommunistische Regime zu bedeuten habe, erzählt der Leiter des Goethe-Instituts Franz Xaver Augustin. Einen regelrechten Ansturm habe es in seinem Haus gegeben, als er den mit einem Oscar ausgezeichneten Film "Das Leben der Anderen" gezeigt habe, der von einem Stasi-Offizier und dessen inneren Konflikten handelt. "Wir hatten ergreifende Diskussionen im Anschluss an diese Filme. Natürlich merken die Leute, dass hier zwischen dem System der DDR und zumindest der jüngsten Vergangenheit in Vietnam sehr viele Parallelen bestehen. Solche Beiträge sind Denkanstöße auch in Bezug auf die eigene Realität."

Insel der Meinungsfreiheit

Dass das Goethe-Institut solche Filme überhaupt zeigen darf, ist nicht selbstverständlich. Schließlich herrscht im sozialistischen Vietnam Zensur. Zeitungen und Rundfunk werden überwacht, regimekritische Äußerungen werden nicht selten mit langen Gefängnisstrafen geahndet. Doch die Räume des Goethe-Instituts sind so etwas wie eine kleine Insel der Meinungsfreiheit in Vietnam - hier werden Diskussionen geführt, Ausstellungen und Filme gezeigt, Bücher vorgestellt, ohne dass vorher eine offizielle Erlaubnis bei den Behörden eingeholt werden muss.

Es gebe zwar manchmal Repressalien, Mitarbeiter würden schikaniert, und die Polizei erkundige sich regelmäßig nach besonders kritischen Querköpfen. Doch bislang halte man dem Druck stand. Schade sei nur, dass für diese Art der Demokratie-Arbeit zu wenig Geld ausgegeben werde, kritisiert Franz Xaver Augustin. Er sieht ein "obszönes Missverhältnis" zwischen dem, was in Entwicklungszusammenarbeit investiert wird, und dem was für Kultur und Bildung ausgegeben wird. "Wir geben zusammen in Vietnam in einem Jahr soviel aus wie die deutsche Entwicklungshilfe in zwei Tagen." Für das Land und seine demokratische Entwicklung sei die Vermittlung von Bildung und Kultur heute aber vielleicht viel wichtiger als etwa die Unterstützung in der Landwirtschaft.

In Deutschland studieren

Augustin plädiert dafür, mehr Stipendien an deutschen Universitäten für vietnamesische Studenten bereit zu stellen - so wie es die USA, Australien und Großbritannien längst vormachten. Für viele der Schüler am Goethe-Institut bleibe das Studium in Deutschland unerreichbar, sagt auch Deutsch-Lehrerin Vu Minh Trang. Etwa, weil die jungen Vietnamesen kein Geld für den Auslandsaufenthalt hätten oder kein Visum bekämen: "Mein Eindruck ist, dass viele unserer Studenten auf viele Schwierigkeiten stoßen, wenn sie sich in Deutschland um einen Studienplatz bewerben."

Ihre Studenten allerdings üben weiter fleißig Vokabeln, und sie träumen von Studienplätzen in Berlin, München, Stuttgart oder Heidelberg. Wenn das nicht klappe, dann hoffen sie wenigstens auf eine Arbeit bei deutschen Unternehmen in Vietnam - ihre Sprachkenntnisse könnten sie auch dort gebrauchen.