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Ohne Alternative in Afghanistan

Sybille Golte20. Mai 2007

Der Anschlag auf die Bundeswehr zeigt, wie gefährdet der Aufbauprozess ist - und dass der Krieg gegen die Taliban nur mit der Unterstützung der afghanischen Bevölkerung gewonnen werden kann.

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Bild: DW

Der neue Anschlag auf deutsche Soldaten trübt das Bild, das westliche Medien und Politiker von der Lage in Afghanistan zeichnen. Weder gibt es wirklich sichere Zonen noch ist es bisher gelungen, den Widerstand der Taliban militärisch zu vermindern oder gar zu brechen. Das Gegenteil ist der Fall: Offen wird in vielen Moscheen des Landes zum heiligen Krieg aufgerufen und für jeden getöteten Taliban-Kämpfer wachsen neue nach.

Racheschwüre für den Schlächter

Ein Schlaglicht auf die Lage wirft auch der Tod des gefürchteten Taliban-Chefs Mullah Dadullah, der vor gut einer Woche bei einer amerikanischen Militäraktion ums Leben kam. In vielen Regionen des Landes gab es mehr oder weniger heimliche Trauerfeiern für einen Mann, der auch bei seinen Landsleuten als gefürchteter Schlächter bekannt war. Seinem Tod folgten Racheschwüre seiner Anhänger. Es ist durchaus möglich, dass der Anschlag von Kundus eine solche Vergeltungsaktion war.

Dass diesmal deutsche Soldaten Ziel eines Selbstmordanschlags waren, weckt schlimme Befürchtungen. Die Flüge deutscher Tornado-Kampfflugzeuge dienen dem Ziel, militärische Aufklärung zu betreiben: Im Klartext heißt das, Stützpunkte des Gegners auszumachen. Das wissen auch die Taliban. Der Anschlag von Kundus wird vor diesem Hintergrund der innerdeutschen Diskussion über den Tornado-Einsatz neue Nahrung liefern.

Einsatz nicht infrage stellen

Doch so schrecklich der Tod der Soldaten auch ist, es wäre völlig falsch, deswegen den Einsatz in Afghanistan generell infrage zu stellen. Seit Beginn ihrer Mission kämpft die Bundeswehr in erster Linie an der humanitären Front – mit Aufbau- und Infrastrukturmaßnahmen im Norden des Landes. Dennoch sind deutsche Soldaten auch vor dem Einsatz der Bundeswehr Tornados bereits Opfer von Terroranschlägen geworden.

Der Weg in eine friedliche Zukunft für Afghanistan führt nur über den weiteren Aufbau des Landes und über die Fortsetzung des auf dem Bonner Petersberg begonnenen Demokratisierungsprozesses. Aufgebaut werden kann aber nur in sicheren Gebieten. Das macht auch den Militäreinsatz der ISAF-Truppen im Süden unverzichtbar.

Korrekturen nötig

Daher gibt es trotz aller Rückschläge derzeit keine prinzipielle Alternative zur Doppelstrategie in Afghanistan: Militäreinsatz gegen die Taliban einerseits – Aufbau von Infrastruktur und Zivilgesellschaft andererseits. Im Detail allerdings sind Korrekturen notwendig: Die große Zahl von zivilen Opfern – im Militärjargon "Kollateralschäden" genannt - untergräbt die Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung ebenso wie die Tatsache, dass viel zu wenige Menschen vom Aufbauprozess profitieren.

Der Krieg gegen die Taliban kann nur mit der Unterstützung der afghanischen Bevölkerung gewonnen werden. Genau in diesem Bereich ist bisher nicht genug geschehen. Das muss sich ändern, wenn Afghanistan nicht in die finsteren Zeiten der Taliban-Diktatur zurückfallen soll. Nach dem Debakel im Irak hätte ein Scheitern in Afghanistan verheerende Wirkungen weit über die Grenzen des Landes hinaus.