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Unglaubwürdige G8

27. Mai 2007

Die G8-Staaten haben ihre Hilfszusagen für die armen Länder nicht erfüllt. Die G8 muss daher einen verbindlichen Aktionsplan verabschieden, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, meint der Ökonom Jeffrey Sachs.

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Jeffrey Sachs
Bild: AP
Themenbild Gastkommentar
Bild: DW

Mit den Millenniumszielen hat sich die Welt darauf geeinigt, Armut, Hunger und Krankheiten zu bekämpfen. Die Ziele wurden 2000 mit Vorgaben für 2015 vereinbart. Damit haben wir nun die halbe Wegstrecke erreicht.

Bislang haben die reichen G8-Länder ihren Teil der Abmachung nicht erfüllt - ungeachtet ihrer ständig wiederholten Zusagen, die Hilfe für die armen Länder zu erhöhen. Wenn neue Geberländer wie China auf den Plan treten, neigen die USA und Europa dazu, sich zu beschweren - als ob ihr Monopol über die armen Teile Afrikas und Asiens verletzt würde. Das politische Ansehen der G8 wird leiden, wenn sie nicht willens oder in der Lage ist, ihren Worten Taten folgen zu lassen.

Die nackte Wahrheit

Obwohl die G8 auf dem Gipfel in Gleneagles 2005 versprochen hat, die Afrika-Hilfe zu verdoppeln, gibt es keinen Plan, wie dies geschehen soll. Im ersten Jahr nach Gleneagles wurden die Zahlen durch die irreführende Verrechnung von Maßnahmen zum Schuldenerlass aufgeblasen. Nun, da der Schuldenerlass weitgehend abgeschlossen ist, zeigen die Daten die nackte Wahrheit: Die Entwicklungshilfe für Afrika - und für arme Länder insgesamt - stagniert.

Ohne den Schuldenerlass betrug der Anstieg der Gesamthilfe für Afrika zwischen 2005 und 2006 magere zwei Prozent - und war damit weit von einer Verdoppelung entfernt. Die offizielle Entwicklungshilfe für alle Empfängerländer - wieder ohne den Schuldenerlass - sank in diesem Zeitraum sogar um zwei Prozent. Sogar die Weltbank, die normalerweise den Standpunkt der Geber einnimmt, räumte unlängst ein, jenseits des Schuldenerlasses seien "Versprechen einer größeren Hilfe nicht eingelöst" worden.

Leicht erfüllbare Versprechen

Wir reden dabei nicht über eine unerreichbar hohe Summe von den reichen Ländern - tatsächlich geht es um eine unbedeutende Menge Geld. Die G8, die fast eine Milliarde Menschen in den reichen Ländern repräsentiert, hat versprochen, die Hilfe für Afrika von 25 Milliarden US-Dollar im Jahr 2004 auf 50 Milliarden im Jahr 2010 zu erhöhen. Diese 25 Milliarden sind weniger als ein Promill des Einkommens der reichen Geberländer.

Um diesen Betrag ein wenig einzuordnen: Allein die Summe des Weihnachtsgeldes an der Wall Street belief sich im vergangenen Jahr auf 24 Milliarden Dollar. Die Ausgaben für den Irak-Krieg, der außer Gewalt nichts bewirkt, belaufen sich auf mehr als 100 Milliarden Dollar im Jahr. Die G8 könnte ihre Zusagen leicht erfüllen, wenn die reichen Länder auch nur das geringste Interesse daran hätten.

Empörend vage

Um die schwindende Glaubwürdigkeit der G8 zu retten, - Zyniker in den G8-Regierungen mögen ihren Auftrag so verstehen - muss das Folgende passieren: Erstens muss die G8 zweifelsfrei klarstellen, dass sie ihrer Verpflichtung nachkommt, die Afrika-Hilfe um 25 Milliarden auf 50 Milliarden pro Jahr zu erhöhen. Zweitens muss die G8 einen konkreten Aktionsplan verabschieden. Das Fehlen von konkreten Zusagen der einzelnen Länder ist empörend - und Regierungsführung in ihrer schlechtesten Form.

Drittens müssen die Empfängerländer wissen, wie stark die Hilfszahlungen jedes Jahr steigen werden, damit sie bis zum Jahr 2010 planen können. Die erhöhte Hilfe sollte dazu benutzt werden, Straßen, Schulen und Krankenhäuser zu bauen, die Stromnetze zu auszubauen und Lehrer, Ärzte und Gesundheitspfleger auszubilden. Für all diese Investitionen werden Pläne und eine jahrelange Umsetzung benötigt. Die Hilfe muss über den Zeitraum mehrerer Jahre klar zugesagt werden, damit die Empfängerländer sie sinnvoll einsetzen können.

Beitrag zum Frieden

Afrikanische Länder haben ihre dringlichsten Investitionen bereits in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft und Infrastruktur - hier insbesondere bei Straßen, Energie und Internetzugang - ausgemacht. Diese Investitionen sollten bis 2015 systematisch erhöht werden, damit diese Länder die Millenniumsziele erreichen können. Die Industriestaaten müssen aufhören, den armen Ländern Vorträge zu halten und stattdessen ihren eigenen Worten Taten folgen lassen.

Fortschritte im Kampf gegen die Armut werden nicht nur dazu beitragen, Menschen das Überleben und die Würde zu sichern, sondern sie werden zum Frieden beitragen. Es ist daher an der Zeit, von unseren Ländern Rechenschaft für ihre uneingelösten Versprechen zu verlangen.

Der US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs steht der UNO seit 2002 als Sonderberater für die Millenniumsentwicklungsziele zur Verfügung. Im selben Jahr wurde er Direktor des "Earth Institute" an der Columbia University in New York City. Bekannt wurde Sachs durch radikale Wirtschaftreformen in Russland, Bolivien und anderen Ländern, wo er als Berater für die Regierungen tätig war.