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Ukraine: Gezerre um Verfassungsgericht verschärft Streit

3. Mai 2007

Während die Regierungskoalition auf das Urteil des Verfassungsgerichts im Streit um die Auflösung des Parlaments wartet und Neuwahlen fordert, hat Präsident Wiktor Juschtschenko zwei Verfassungsrichter entlassen.

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Neue Entscheidungen im Präsidialamt in KiewBild: Markian Ostaptschuk

Die Entlassung der Verfassungsrichter Walerij Pschenytschnyj und Sjusanna Stanik stehe im Einklang mit der Verfassung, sagte der Deutschen Welle der Experte des Kiewer Zentrums für politische und rechtliche Reformen, Ihor Koliuschko. Der Präsident dürfe die neue Verfassungsbestimmung über die Richterentlassung anwenden, auch ohne rechtliche Begründung. Vor der Gefahr einer politisch motivierten Entlassung von Verfassungsrichtern hätten Juristen den Obersten Rat gewarnt, betonte der Experte. Damals hätten jedoch die Abgeordneten auf der Verabschiedung jener Bestimmung bestanden. Jetzt könnte das der Regierungskoalition teuer zu stehen kommen, erläuterte Kolischko:

"Ein solches Recht darf es eigentlich nicht geben. Die Richter sind nicht unabhängig, wenn sie entlassen werden können. Aber wenn es so in der Verfassung festgeschrieben wurde und Parlamentspräsident Moros es sich mit seiner Gefolgschaft ein Jahr lang erlaubt hat, das Verfassungsgericht gar nicht arbeiten zu lassen, dann kommt einem die Entlassung der Richter in der gegebenen Situation wie legaler Gesetzesbruch vor." Gleichzeitig ist der Experte der Ansicht, dass es durchaus Anzeichen dafür gibt, dass die entlassenen Richter Stanik und Pschenytschnyj gegen ihren Amtseid verstoßen haben.

EU hofft auf demokratischen Kompromiss

Nach der Entlassung der beiden Verfassungsrichter durch Präsident Juschtschenko forderten die Parteiführer der ukrainischen Regierungskoalition eine internationale Vermittlung. Ihr Aufruf änderte allerdings an der Haltung der europäischen Partner nichts, die die politische Krise als innere Angelegenheit der Ukraine betrachten.

Der Pressedienst der EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner teilte der Deutschen Welle mit, die Europäische Union verfolge die Ereignisse in der Ukraine aufmerksam, da Kiew ein wichtiger Partner der EU sei. Brüssel hofft dem Pressedienst zufolge, dass den ukrainischen Politikern ein demokratischer Kompromiss gelingt, der auf einem Urteil des Verfassungsgerichts basiert. Die EU erwäge weiterhin keine Vermittlung in dem politischen Streit, da die ukrainischen Politiker über alle demokratischen Instrumente zur Regelung der Lage verfügten. Deswegen würden die europäischen Partner die Fortsetzung des politischen Dialogs in Kiew und die Rückkehr zur Tagesordnung begrüßen, auf der vor allem Reformen stehen sollten.

Befugnis des Verfassungsgerichts in Frage gestellt

Unterdessen ist ein Streit darüber entbrannt, ob das ukrainische Verfassungsgericht seine Beratungen über die Parlamentsauflösung überhaupt fortsetzen darf. Nach Ansicht des Abgeordneten des präsidentenfreundlichen Bündnisses Unsere Ukraine, Mykola Onischtschuk, hätte das Verfassungsgericht die Prüfung des Erlasses vom 2. April einstellen müssen, da es laut Gesetz nur geltende Rechtsakte prüfen darf. Aber im zweiten Präsidentenerlass über die Parlamentsauflösung vom 26. April sei der Erlass vom 2. April für ungültig erklärt worden.

Onischtschuk sagte, das Verfassungsgericht habe, nachdem der Präsidentenerlass vom 26. April erschienen war, zunächst dafür gestimmt, die Prüfung des ersten Erlasses einzustellen. Einen Tag später aber habe ein Teil der Richter seine Haltung geändert. Dies habe, so Onischtschuk, die Entscheidung des Präsidenten beeinflusst, zwei Richter zu entlassen: "Die Richter, die vom Präsidenten entlassen wurden, gehören zur Quote des Präsidenten. Die Organe, die die Richter ernennen, müssen selbstständig feststellen, ob ein Verstoß vorliegt, der eine Entlassung zur Folge hat. Gerade so ist es in diesem Fall gekommen."

Urteil des Verfassungsgerichts gefordert

So lange das Verfassungsgericht kein Urteil zum Präsidentenerlass über die Parlamentsauflösung spricht, werde die Partei der Regionen bei der Zentralen Wahlkommission keine Listen mit Kandidaten für die Wahlkommissionen in den Bezirken einreichen, sagte der Deutschen Welle der Abgeordnete der Partei, Wasyl Chara. Er betonte, seine Partei betrachte den Erlass von Präsident Juschtschenko als verfassungswidrig. Außerdem gäbe es in der Ukraine keine klaren Mechanismen zur Durchführung vorgezogener Wahlen, ferner fehle ein Wählerregister. Zudem sei die Finanzierung solcher Wahlen unklar.

Chara zufolge gibt es nur eine Möglichkeit, den politischen Konflikt zu lösen: ein Urteil des Verfassungsgerichts mit darauffolgenden politischen Verhandlungen. Wenn sich die Ereignisse anders entwickelten, würden die meisten Ukrainer nicht zu den Wahlurnen gehen, meint Chara: "Varianten kann es viele geben. Eine wäre, dass die Wahlkommissionen in den Bezirken im Süden und Osten, wo wir die meisten Anhänger haben, einfach nicht arbeiten werden und auf diese Weise die gesetzwidrigen Wahlen zum Scheitern bringen."

Oksana Malowitschko, Eugen Theise, Lilija Hryschko
DW-RADIO/Ukrainisch, 3.5.2007, Fokus Ost-Südost