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Korruption in Deutschland

Mischa Ehrhardt30. März 2007

Verbotene Zuwendungen an Betriebsräte, Schmiergeld gegen Großaufträge im Ausland: Siemens steht im Fokus gleich mehrerer Korruptionsaffären. Doch der Konzern ist nicht allein. Wie korrupt ist die deutsche Wirtschaft?

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Übergabe mehrerer Hundert-Euro-Scheine von einer Hand in die andere (Quelle: dpa)
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft - und bleiben meist unbemerktBild: picture-alliance/ dpa

Im internationalen Vergleich scheint die Deutschland AG eine relativ reine Weste zu tragen: Nach einer Liste der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International steht Deutschland von 160 Staaten auf Platz 16, in 144 Staaten wird also mehr geschmiert. An dieser Stelle hält sich Deutschland einigermaßen stabil seit einigen Jahren.

Die Zahl der Bestechungsfälle verteilt sich weltweit so, wie es der informierte Leser befürchtet: In ärmeren Entwicklungsländern wird mehr bestochen, in den reichen Industrienationen weniger. Es fragt sich nur, was diese Zahlen aussagen angesichts der Nachrichten der vergangenen Monate. Da tauchen Unternehmen wie BMW, Daimler-Chrysler, Siemens, Karstadt, Audi und Volkswagen auf - und sie alle haben mindestens zwei Dinge gemeinsam: Sie sind große deutsche Unternehmen und sie haben mit Korruptionsvorwürfen gegen Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte zu kämpfen.

Höchstens fünf von 100 Fällen werden aufgeklärt

Die Liste der bekannten Korruptionsfälle ließe sich fast beliebig verlängern - und doch ist das nur die Spitze des Eisbergs, erklärt der Frankfurter Oberstaatsanwalt und Korruptionsexperte Wolfgang Schaupensteiner: "Angesichts der Korruptions-Lawine kann man gar nicht alles aufklären. Von 100 gedachten Korruptionsfällen werden höchstens fünf aufgeklärt."

Derzeit hat Schaupensteiner alle Hände voll damit zu tun, Licht in das Dunkel verschlungener Geldwege zwischen Volkswagen und einigen Zulieferfirmen zu bringen. So soll Faurecia, der zweitgrößte Zulieferer Europas, leitende Einkausmanager von Volkswagen und Audi bestochen haben. Zuletzt sollen Schmiergelder in Höhe von 600.000 bis 800.000 Euro geflossen sein.

Skandal im Hochbauamt: 240 Beschuldigte

Doch nicht nur in der Privatwirtschaft zeigen Schmiergelder oder andere Geschenke die erhoffte Wirkung: So ermittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft noch vor zwei Jahren in einem Bestechungsskandal im Hochbauamt. Beschuldigt wurden insgesamt 240 Personen, der finanzielle Schaden lag bei 6 Millionen Euro.

Die hohe Dunkelziffer hängt auch damit zusammen, dass die meisten Unternehmen Fälle von Korruption am liebsten intern lösen, meint Peter von Blomberg von Transparency International. Wenn man etwas unter den Teppich kehren könne, dann werde das gemacht, meint der Experte, "weil man von einem bekannt gewordenen Korruptionsfall mindestens eine erhebliche Reputationsbeschädigung befürchtet".

Manager leben in ihrer eigenen Welt

Zwei Geschäftsleute stehen vor einem modernen Bürohaus (Quelle: Illuscope)
Einige Manager leben in ihrer eigenen WeltBild: Illuscope

Nach außen hui also - auch wenn nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Bei Auftragsvergaben wie im Fall von VW und Faurecia geht es um wirtschaftliche Interessen von ganzen Unternehmen und deren leitenden Angestellten. Und die leben und arbeiten oft in eigenen Welten, meint der Wirtschaftskriminologe Hans See. Über die Auswirkungen des eigenen Tuns werde dann nicht mehr nachgedacht.

Einige Firmenchefs und Manager bewegen sich also mit einer machiavellistischen Einstellung innerhalb der Wirtschaftswelt - der Zweck heiligt die Mittel. Dabei ist es kein Zufall, dass oft Großunternehmen in die Schlagzeilen geraten: Denn erstens können hier wegen der Größe Verflechtungen undurchsichtiger sein, zweitens ist Korruption immer auch eine Frage der Macht, meint See: "Dazu gehört, dass man überhaupt einmal Geld hat. Und umgekehrt muss einer, der sich bestechen lässt, auch etwas zu bieten haben."

Dadurch seien eben eher hohe Funktionäre und Großunternehmen betroffen. Vor allem in Branchen mit starkem Konkurrenzdruck, der Bau- oder Automobilbranche etwa, treten Skandale vermehrt auf. Auch in so bekannten Unternehmen wie Siemens, Daimler-Chrysler, Audi und Volkswagen.