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Finnland hat gewählt

Marcus Kreutler/chr19. März 2007

Ob Wirtschaft, Bildung oder Staatsfinanzen - Finnland gilt als Musterland. Nun haben die Finnen gewählt, doch mangels Problemen bleibt wohl alles beim Alten.

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Ansicht des Parlamentsgebäudes in Helsinki (Quelle: Illuscope)
Das finnische Parlament: 200 Sitze sind zu vergebenBild: Illuscope

Trotz Stimmenverlusten bei den Parlamentswahlen am Sonntag kann der liberale finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen (51) mit seiner Zentrumspartei weiterregieren. Nach Auszählung aller Stimmen am Sonntagabend lag das Zentrum laut Angaben des Wahlamtes bei 23,1 Prozent und behauptete damit seine Position als stärkste Kraft vor den bisher oppositionellen Konservativen mit 22,3 Prozent.

Koalition noch unklar

Die Zusammensetzung der neuen Koalition unter Vanhanens Führung blieb in der Wahlnacht offen. Rechnerisch hätten Zentrum und Konservative allein eine knappe Mehrheit unter den 200 Abgeordneten des neuen Reichstages. Es galt aber als weitgehend sicher, dass die SFP (der schwedischsprachigen Minderheit in Finnland) sowohl mit den Sozialdemokraten wie mit den Konservativen als Juniorpartner in einer Koalition zusammenarbeiten würde. Als Chef der größten Fraktion erhält Vanhanen automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung.


Im neuen Reichstag hat das Zentrum 51 Abgeordnete gegenüber 50 Konservativen. Die Partei des 35-jährigen Oppositionschefs Jyrki Katainen verdrängte die in der Regierung vertretenen Sozialdemokraten als zweitstärkste Fraktion im neuen Reichstag. Die Partei von Finanzminister Eero Heinäluoma (51) kam nur auf 21,4 Prozent gegenüber bisher 24,7 Prozent und war klarer Verlierer der Wahl. Sie hat künftig 45 Sitze. Vanhanens Partei verlor 1,6 Prozentpunkte, während die Konservativen um 3,7 Prozentpunkte zulegen konnten.

Rechtsruck

Zusammen mit einem Plus der kleinen rechtsnationalistischen Partei Wahre Finnen um 2,5 Prozentpunkte auf vier Prozent werteten Beobachter die Wahl als Rechtsruck. Als offen galt, ob die Konservativen mit ihren unerwartet kräftigen Stimmengewinnen die Sozialdemokraten als Koalitionspartner Vanhanens ablösen können. Katainen sagte dazu: "Die Menschen wollten, dass wir wachsen. Das muss sich auch in der Regierungsarbeit bemerkbar machen." In Finnland sind alle Parteien traditionell zur Regierungszusammenarbeit mit fast allen anderen im Reichstag vertretenen Kräften bereit.

Die als kleiner Partner in der Regierung vertretene SFP verlor 0,1 Prozentpunkte und kam auf 4,5 Prozent. Die oppositionelle Linkspartei ging von 9,9 auf 8,8 Prozent zurück. Die Grünen legten mit 8,5 gegenüber acht Prozent leicht zu. Die Christdemokraten verloren einen halben Prozentpunkt und kamen auf 4,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 67,8 Prozent noch unter der von 2003 mit 69,7 Prozent (ohne Auslandsstimmen).

Jubiläum der Demokratie

Finnlands Demokratie feierte am Sonntag einen runden Geburtstag: Vor hundert Jahren waren die Finnen zum ersten Mal zur Wahl aufgerufen, gut 70 Prozent gingen damals an die Urnen. Dieser Anteil wurde auch diesmal angepeilt, jedoch knapp verfehlt. Wenn nicht gerade EU-Wahlen sind, ist auf die finnischen Wähler Verlass - obwohl sie nun schon zum zweiten Mal in Folge einen eher farblosen Wahlkampf erlebten. Ihrem Land geht es eben einfach gut.

"Das allerwichtigste Thema ist natürlich, wie man den Überschuss des Staatshaushaltes verteilt", sagt Marjaliisa Hentilä, die Leiterin des Finnland-Instituts in Deutschland. Fünf Milliarden Euro waren Ende des vergangenen Haushaltsjahres noch in der Kasse, und das wird sich nicht so schnell ändern in einem Land, das vom Weltwirtschaftsforum regelmäßig zu den wettbewerbsfähigsten der Erde gezählt wird.

Wohin mit dem Haushaltsüberschuss?

Die drei Spitzenkandidaten im Fernsehstudio (Quelle: dpa)
Bitte recht freundlich: Matti Vanhanen mit dem Sozialdemokraten Eero Heinaeluoma und dem Konservativen Jyrki Katainen vor der TV-DebatteBild: picture-alliance/ dpa

Entsprechend unterschieden sich die drei großen Parteien vor allem in den Geschenken, die sie dem Wähler versprachen. Die Sozialdemokraten möchten bessere Sozialleistungen bieten, die oppositionellen Konservativen versprechen Steuersenkungen, und die Zentrumspartei von Ministerpräsident Matti Vanhanen würde gern mehr Geld in den staatlichen Pensionsfonds stecken.

Die großen Streitpunkte der Vergangenheit traten im Wahlkampf fast völlig in den Hintergrund. Atomenergie? Ist selbst für die Grünen kein Grund mehr, in die Opposition zu gehen. NATO-Beitritt? Steht in der kommenden Legislaturperiode nicht auf der Agenda, bei keiner der Parteien. Stattdessen diskutierten die Finnen, ob man den Wahltermin nicht lieber in den Sommer oder Herbst legen sollte. "Da könnten die Kandidaten mehr draußen agieren, man würde einfach etwas mehr Farbe in den Wahlkampf bekommen", erklärt Marjaliisa Hentilä.