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Todesstrafe in China

Gui Hao13. März 2007

China plant mehr Zurückhaltung bei der Todesstrafe. Durch Folter erzwungene Geständnisse und geheime Hinrichtungen sollen verboten, Revisionsverfahren gründlicher werden.

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Ein zum Tode verurteilter Chinese wird auf der Ladefläche eines Lastwagens von Polizisten bewacht. Im Hintergrund ein Soldat und eine Tribüne voller Zuschauer (Quelle: dpa).
Auf dem Weg zur Hinrichtung: Einer von 8000 Verurteilten im JahrBild: picture-alliance/dpa

Die Neuerungen gehen aus einem Bericht hervor, der am Montag (12.3.2007) von der Obersten Staatsanwaltschaft, dem Ministerium für öffentliche Sicherheit und dem Justizministerium veröffentlicht wurde.

Revisionen sollen demzufolge in öffentlicher Sitzung verhandelt werden – jeder, der sich dafür interessiert, darf dann an der Sitzung teilnehmen. Auch sollen Zeugen aussagen dürfen. Dies ist bisher nicht erlaubt, weil die Justizbehörden mit den vielen Verfahren völlig überlastet sind.

Gegner der Todesstrafe begrüßen die Regelung

Michel Taube bei einer Pressekonferenz (Quelle: dpa)
Michel Taube fordert die Aussetzung der Hinrichtungen zu den Olympischen SpielenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Yao Yao, Todesstrafengegner vom Pekinger "Offene Konstitution Institut" begrüßt die neue Regelung: "Dass Zeugen zu Gerichtsterminen erscheinen, ist eines der wesentlichen Merkmale eines Rechtsstaates." Bisher würden Zeugen auch bei Verfahren gegen Kleinkriminelle nicht in der Hauptverhandlung befragt, sondern lediglich bei der Beweisaufnahme. Der Verteidiger könne diese dann nicht befragen, so Yao Yao: "So ist es nicht möglich, eine faires Verfahren zu gewähren. Der Zeuge kann bei der Beweisaufnahme gelogen haben oder gefoltert worden sein."

Seit Anfang 2007 überprüft das Oberste Gericht alle in den Provinzen gefällten Todesurteile. Zuvor waren mehrfach Hinrichtungen von Unschuldigen bekannt geworden. Es gibt keine offizielle Statistik über die Zahl der vollstreckten Todesurteile.

100.000 Hinrichtungen in den vergangenen zehn Jahren

Eine eigene Statistik führt John Kamm. Er war Chef der US-Handelskammer in Hongkong und arbeitet jetzt für die Nicht-Regierungsorganisation Dui Hua mit Sitz in San Francisco. Seinen Zählungen zufolge wurden in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100.000 Menschen in China exekutiert – das sind rund 95 Prozent der Hinrichtungen weltweit. Es sei jedoch ein kleiner positiver Trend erkennbar, so Kamm: "Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der vollstreckten Todesstrafen in den vergangenen zwei Jahren auf jeweils etwa 8000 gesunken ist."

Amnesty International schätzt die Zahl auf 1770. Durch die neuen Vorschriften will Peking mehr Transparenz schaffen und das Image des Landes verbessern – auch mit Blick auf die Olympischen Spiele 2008. Früher wurden gelegentlich Todesurteile im Eilverfahren ausgesprochen und vollstreckt. Polizei und Justiz wollten so ihre Effizienz beweisen. Nun sind auch das Erzwingen von Geständnissen durch Folter und andere illegale Verhörmethoden verboten. Allerdings seien die Formulierungen – etwa die, dass Verhöre aufgezeichnet werden sollten – sehr vage, kritisiert Yao Yao.

Todesstrafe für Kreditkartenbetrug

Zwei Demonstranten tragen OP-Masken mit einer durchgestrichnen Schlinge. Einer hält ein Protestplakat mit dem Foto einer Verurteilten kurz vor ihrer Hinrichtung (Quelle: AP).
Proteste gegen die Todesstrafe in Hong KongBild: AP

Menschenrechtsorganisationen bemängeln, dass laut dem chinesischen Strafgesetz insgesamt 68 Straftaten mit dem Tode bestraft werden können, darunter auch Wirtschaftsdelikte wie Schmuggel oder Kreditkartenbetrug. Amnesty International fordert China auf, die Todesstrafe bis zu den Olympischen Sommerspielen abzuschaffen. Der nächste Welttag gegen die Todesstrafe werde China gewidmet sein, sagt Michel Taube, Organisator des Weltkongresses gegen die Todesstrafe: "Zum Abschluss unseres Kongresses rufen wir China zur Aussetzung der Hinrichtungen auf. Der Waffenstillstand ist ein olympisches Prinzip."

Die Todesstrafe bildet einen der Kernpunkte im Menschenrechtsdialog zwischen der deutschen Bundesregierung und China. Deutsche Juristen unterstützen das chinesiche System bei der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Der hessische Generalstaatsanwalt Dieter Anders war Anfang März mit einer Delegation in China. Anders sagte: "Ich hatte den Eindruck, dass die jüngeren Richter und Staatsanwälte insgesamt gegen die Todesstrafe sind."