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Die 'Cicero'-Affäre

Daphne Antachopoulos26. Februar 2007

Ein Geheimdokument des BKA, ein Journalist, der es zitiert, und eine umstrittene Polizei-Razzia. Das ist die "Cicero"-Affäre. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Pressefreiheit verletzt wurde.

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Die Richter des Bundesverfassungsgerichts
Die Richter des BundesverfassungsgerichtsBild: AP

Am 12. September 2005 durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) die Redaktionsräume des Magazins "Cicero" und die Privaträume des "Cicero"-Autors Bruno Schirra. Sie durchkämmten einen Tag lang Akten und Computer-Festplatten und nahmen kistenweise Material mit.

Der Grund: Bruno Schirra hatte - allerdings bereits im April 2005 - im Magazin "Cicero" einen Artikel über den Terroristen Abu Musab al-Sarkawi geschrieben. Schirra zitierte aus einem höchst vertraulichen Bericht des Bundeskriminalamtes und nannte dabei unter anderem Telefonnummern des mittlerweile getöteten jordanischen Al-Kaida-Terroristen Sarkawi. Mit der Durchsuchung wollten die Beamten das Leck, also Schirras Informanten, im BKA finden.

Doch je mehr Hintergründe bekannt werden, desto skurriler wird die Geschichte: Zum einen sollen mehr als 200 Beamte des BKA angeblich Zugang zu den Informationen gehabt haben - nicht gerade ein Indiz für die höchste Geheimhaltungsstufe. Manche sprechen auch davon, dass verantwortliche Stellen im BKA gezielt manipulierte Dokumente in Umlauf brachten, um mögliche Lecks zu finden.

Grundbedingungen journalistischer Arbeit

Pressekritiker Otto Schily
Pressekritiker Otto SchilyBild: dpa

Journalisten empörten sich lautstark über die Durchsuchung und sprechen von Verletzung der Pressefreiheit. Der damalige Innenminister Otto Schily, in dessen Zuständigkeit das BKA fällt, verteidigte die Razzia: "Der Staat kann es nicht hinnehmen, dass Unterlagen aus dem innersten Bereich an die Öffentlichkeit gelangen", meinte Schily. "Dadurch werden Gefahren für solche Ermittlungen herbeigeführt."

Schilys Kritik an der Presse, die sich "außerhalb der Gesetze" stellen würde, löste Empörung aus - bei Journalisten, Juristen und Vertretern nahezu aller Parteien - auch bei seiner eigenen, der SPD. Dieter Wiefelspütz, Innenexperte der Sozialdemokraten hat zwar Verständnis dafür, dass man auf der einen Seite im BKA das Leck schließen möchte. Allerdings sagte er auch: "Wenn Sie die Arbeit von Journalisten, die nahezu täglich mit vertraulichen Informationen umzugehen haben, per se kriminalisieren, dann haben wir ein Problem mit der Pressefreiheit in Deutschland, dann werden Grundbedingungen der journalistischen Arbeit in Frage gestellt."

Es müsse über die Maßstäbe geredet werden. Wiefelspütz habe den Eindruck, dass das BKA doch zunächst einmal - und vor allem - in den eigenen Reihen den Täter suchen und doch nicht den Journalisten zum Täter machen solle. "Der wird doch nicht dadurch zum Geheimnisbrecher, indem er vertrauliche Informationen in Empfang nimmt und darüber schreibt."

Relevante Geheimnisse

"Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer
"Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer will alles aufgedeckt werdenBild: dpa

"Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer erklärte rund einen Monat nach der Durchsuchung: Man wolle sich mit allen juristischen Mitteln dagegen wehren - auch mit journalistischen. "Wir wollen die Hintergründe dieser Affäre aufdecken, insbesondere auch die Verantwortung von Otto Schily in diesem Fall", sagte er. "Denn es ist ja schon verwunderlich, welche Einstellung unser Innenminister zur Pressefreiheit in Deutschland hat und wie er sich in diesem Fall verhält."

Journalisten seien nicht Mikrofon-Halter oder Hof-Berichterstatter, sondern dazu da, kritisch zu berichten, betont Weimer. Wenn man sie auf diese Art und Weise einschüchtern und den investigativen Journalismus zurückdrängen wolle, sei das empörend.

Eine erste Schlappe musste Weimer allerdings hinnehmen. Das Landgericht Potsdam entschied im Februar 2006, dass die Durchsuchung rechtmäßig gewesen sei. In Schirras Artikel seien "erhebliche, für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands relevante Geheimnisse" enthalten gewesen. Deshalb wiege das Interesse der Strafverfolgung schwerer als der Grundrechtseingriff, so das Gericht.

Beihilfe zum Geheimnisverrat

Weimer legte daraufhin wegen der Durchsuchung Verfassungsbeschwerde ein. Streitpunkt ist der Paragraph 353b des Strafgesetzbuches, der so genannte Geheimnisverrat. Er ist eigentlich ein Amtsdelikt. Das heißt, nur ein Amtsträger oder ein dem Staat ähnlich Verpflichteter kann dieses Delikt begehen. Mit der Vorschrift sollen unzuverlässige und illoyale Beamte bestraft werden. Strafzweck ist nicht, Journalisten die Veröffentlichung von Recherche-Ergebnissen zu verbieten.

Man kann dieses Ziel aber auf einem Umweg doch erreichen, indem man den Betroffenen wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigt. Entsprechend wäre dann auch eine Durchsuchung im Rahmen der Ermittlungen rechtens. Eine fragwürdige Konstruktion, sagen Strafrechtler, denn so mache man den Informantenschutz zunichte. Die Pressefreiheit sei latent gefährdet.

Zwischenzeitlich wurde Bruno Schirra in einem Strafverfahren der Beihilfe am Geheimnisverrat beschuldigt. Allerdings nahm das zuständige Gericht die Anklage gegen ihn gar nicht erst an. Der Geheimnisverrat sei schon abgeschlossen gewesen, begründete das Landgericht Potsdam seine Entscheidung, die auch in letzter Instanz bestätigt wurde.

Schließlich hatte schon im Jahr 2004 der französische Autor Jean-Charles Brisard in seinem Buch aus besagtem BKA-Bericht zitiert. Auch ein Verfahren gegen den Chefredakteur Wolfram Weimer stellte die Staatsanwaltschaft wegen geringer Schuld und gegen Zahlung von 1000 Euro ein. Bis heute ist übrigens nicht bekannt, wer letztendlich der illoyale Beamte, das Informationsleck im BKA, war.