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Catania in Sachsen

11. Februar 2007

Italienische Zustände sind im deutschen Fußball undenkbar - sagten Kenner der Szene nach den schrecklichen Ereignissen von Catania. Ein Irrtum - wie ein Blick in die deutsche Fußballprovinz zeigt.

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Bruno-Plache-Stadion in Leipzig
Brutstätte für Hooligans: das Bruno-Plache-Stadion in LeipzigBild: picture-alliance/dpa

Erschreckende Jagdszenen, Schüsse und zahlreiche Verletzte: Nach dem mehrfach unterbrochenen Fußball-Pokalspiel des Bezirksligisten 1. FC Lok Leipzig gegen den Landesligisten Erzgebirge Aue II (0:3) am Samstag (10.2.) vor 5000 Zuschauern griffen gewaltbereite Anhänger des Gastgeber-Teams beim Abmarsch in unmittelbarer Stadionnähe die Polizeibeamten an. Rund 800 Chaoten stürmten auf die Sicherheitskräfte los, warfen gezielt mit Pflastersteinen oder Betonteilen.

Insgesamt wurden 36 Polizisten sowie 6 Zivilpersonen verletzt und 21 Fahrzeuge beschädigt. Ein Zivilbeamter musste in akuter Notlage sogar einen Warnschuss abgeben. Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray, nahm bisher fünf Gewalttäter vorläufig fest. Gegen sie wird wegen Landfriedensbruch ermittelt. Die Kriminalpolizei bildete eine Einsatzgruppe, die auch Videomaterial sichtet. Es wird mit weiteren Festnahmen gerechnet.

Unbeschreibliche Gewaltszenen

Am maroden Bruno-Plache-Stadion, früher Heimstätte des inzwischen insolventen Ex-Bundesligist VfB Leipzig, spielten sich unbeschreibliche Gewaltszenen ab. Nach Ausbruch der Gewalttätigkeiten griff eine größere Anzahl von Hooligans zwei eingesetzte Zivilbeamte der Polizei an, diese wurden zu Fall gebracht und dann durch ein "Spalier" skandierender Anhänger getrieben. Als ein Zivilbeamter durch körperliche Attacken erneut zu Fall kam, wurde er so bedrängt, dass er akute Lebensgefahr für sich befürchtete und einen Warnschuss abgab. Die Gewalttäter entfernten sich dennoch nicht, erst ein eintreffendes Einsatzkommando konnte den Beamten aus der Bedrohungslage befreien. Ein Beamter wurde verletzt, als er aus nächster Nähe mit einer Schreckschusspistole beschossen wurde.

Kurz nach Anpfiff der Partie, die Anreise der rund 350 Anhänger aus Aue verlief problemlos, musste der Schiedsrichter erstmals wegen gezündeter Feuerwerkskörper aus beiden Fanlagern unterbrechen. Auch in der zweiten Halbzeit unterbrach der Referee die Partie für acht Minuten, das Spielfeld war von dichten Rauchschwaden umhüllt. Die Polizei, offiziell mit 300 Beamten im Einsatz, musste die Pufferzone zwischen den beiden Fangruppen vergrößern.

Sammelbecken für rechte Hooligans

Nach Spielende verlief der Abtransport der Gästefans laut Poilzeibericht reibungslos. 80 gewaltbereite Anhänger des 1. FC Lok versuchten allerdings, zum Abfahrtsort der Busse zu gelangen, was die Einsatzkräfte verhinderten. Wenig später eskalierte die Situation, als sich die Zahl der Angreifer auf rund 800 erhöht hatte. Auch Auch Pferde und Hunde waren Ziel der offenbar geplanten Attacken und erlitten Verletzungen.

Derzeit werde ermittelt, ob die Ausschreitungen im sizilianischen Catania als Vorbild für die Randale gedient hatten, sagte ein Polizeisprecher. Dazu würden die Festgenommenen befragt. In Catania war nach einem Spiel der ersten italienischen Liga bei schweren Ausschreitungen ein Polizist getötet worden. Laut Leipziger Polizei waren die Ausschreitungen nach dem Pokal-Spiel am Samstagabend die schwersten, welche die Stadt bisher gesehen hat. Der 1. FC Lok Leipzig gilt als Sammelbecken auch für rechtsgesinnte Personen. Hinweise auf einen solchen Hintergrund bei den Vorfällen um das Pokal-Viertelfinale am Samstag gab es laut Polizeiauskunft aber nicht. (wga)