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Geschäft mit dem Tod

28. Januar 2007

Die Grenzen zwischen legalem und illegalem Waffenhandel sind fließend. Zuständigkeiten bleiben unklar, Embargos können umgangen werden. Doch ohne staatliche Kontrollen hätten es die Händler mit dem Tod noch leichter.

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Kalashnikows und andere schwere Maschinengewehre(Quelle: AP Photo/Osman Hassan)
Die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität beim Waffenhandel sind meist fließendBild: AP
Ein etwa viereinhalb Kilogramm schweres, glänzendes Blechgehäuse liegt friedlich in einer Produktionsstätte auf dem Fließband. 870 mm Gesamtlänge, davon 415 mm Lauf. Ein Arbeiter nimmt es vom Band, überprüft alle Schrauben und Kleinteile, und schiebt ein mit 30 Patronen gefülltes Magazin in den dafür vorgesehenen Schlitten. Effektive Reichweite: knapp 400 Meter. Maximale Schussweite: knapp drei Kilometer. Frequenz: Bis zu 600 Schuss pro Minute. Name: "Avtomat Kalashnikova obras'tsa 1947", kurz AK-47, ein 1947 von Michail Timofejewitsch Kalaschnikow entwickeltes Sturmgewehr. Eine Waffe geht um die Welt Die meisten Waffen, die in den Händen von Kämpfern in den Konfliktgebieten landen, haben einen langen Weg hinter sich. Dieser beginnt meist mit ganz legaler Produktion und ganz legalem Export. Gerade die AK-47 beginnt ihre Reise in den Krieg häufig in den Lagern oder Fabriken ehemaliger Ostblockstaaten. Die Waffenhändler legen mit einem Exportantrag an die entsprechende Regierung echte oder gefälschte Endverbleibserklärungen vorgeblicher Empfängerländer vor und erhalten so relativ problemlos eine Exportgenehmigung. Und schon kann die AK-47 ihre Reise antreten, verladen an Bord eines Transportflugzeuges, das gemäß den Frachtpapieren das vorgebliche Empfängerland zum Ziel hat. Doch das Flugzeug wird oftmals dieses Ziel nicht erreichen, denn der Waffenhändler lässt den Piloten in Konfliktstaaten auf so genannten "Buschpisten“ zwischenlanden, um die Kisten mit den AK-47 schon dort auszuladen – beispielsweise im Tauschgeschäft gegen Diamanten oder Erz. Lizenzfertigung nährt den Waffenhandel Ein anderer Weg in den Krieg, den beispielsweise auch deutsche G3-Schnellfeuergewehre immer wieder genommen haben, beginnt in den Fabriken anderer Staaten, die mit ganz offiziellen Lizenzen diese Waffen nachbauen und dann an Staaten liefern, die aus dem Ursprungsland solche Waffen direkt nie erhalten hätten. So werden auf legale Art und Weise Geschäfte gemacht, die auf direktem Weg illegal gewesen wären. Wo beginnt die Illegalität? Doch die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität sind fließend. Maßgeblich ist nur das jeweilige Rechtsverständnis. Bei Waffenhandelskontrollen überschneiden sich nationale und internationale Rechtssysteme. Von den Regierungen wird der Handel mit Rüstungsgütern meist nur dann als illegal bzw. irregulär angesehen, wenn dabei gegen nationale Gesetze oder Vorschriften verstoßen wird. Darüber hinaus ist alles erlaubt, was von staatlichen Behörden nicht explizit untersagt wird. Umstritten ist jedoch, inwieweit hierbei auch völkerrechtliche Normen verbindlich sind. So bezieht beispielsweise der bisher nicht rechtlich verbindliche Verhaltenskodex der EU zum Waffenhandel in seinen Kriterien auch Bestandteile des Völkerrechts, wie die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, mit ein. Waffenembargos sind kein Hindernis Selbst bestehende Handelsschranken stellen für die Waffenhändler selten ein wirkliches Hindernis dar. "Die meisten Waffenembargos sind lückenhaft, ihre Umsetzung wird zudem kaum kontrolliert“, sagt der Waffenhandelsexperte Mathias John von Amnesty International. Den Waffenembargos fehle es an Definitionen, zu viele Fragen blieben offen: Welche Rüstungsgüter sind genau gemeint? Sind nur Lieferungen ganzer Waffensysteme verboten oder auch die von Komponenten? Wie verhält es sich mit der Lizenzfertigung? Fragen auf die es keine verbindlichen Antworten gibt. Auch strenger gefasste Embargos verfehlen meist die beabsichtigte Wirkung. Ob in der Vergangenheit gegen Jugoslawien, Sierra Leone oder Liberia oder aktuell gegen die Demokratische Republik Kongo, Somalia oder den Sudan: Immer wieder gelangen Waffen aus ausländischer Produktion in die Hände von Regierungstruppen oder Rebellen. Beispiele für erfolgreiche Embargo-Politik sind eher selten: "Da fällt mir wenig Positives ein“, sagt Waffenexperte Robert Lindner von Oxfam: "Die meisten Embargos waren und sind äußerst lückenhaft. Man könnte immerhin sagen, dass Embargos in der Regel den logistischen und finanziellen Aufwand für die betreffenden Kriegsparteien erhöhen. Ohne Embargos würden noch mehr Waffen in Kriegsgebiete gelangen. Auf der anderen Seite begünstigen sie jedoch auch häufig die Entstehung und Verfestigung von internationalen kriminellen Strukturen.“ Vereinte Nationen sind hilflos "Die Vereinten Nationen verfügen nicht über die nötigen Mittel, um Embargos selbst zu überwachen. Deshalb hängt deren Wirksamkeit in erster Linie von der Bereitschaft aller Staaten ab, sie zu befolgen oder durchzusetzen. Obwohl zum Beispiel UN-Embargos für alle Mitglieder rechtsverbindlich sind, werden in vielen Staaten Embargobrüche nicht einmal als Straftat verfolgt", so Lindner. Embargos werden meist als letztes Mittel eingesetzt, wenn gewaltsame Konflikte bereits zahlreiche Opfer gefordert und die Kriegsparteien ihre Waffenbestände schon wieder aufgefüllt haben. Dennoch gibt es keine Alternativen zu ihnen, wenn klar erwiesen ist, dass Regierungen oder nicht-staatliche Gruppierungen systematisch Menschenrechte verletzen oder Angriffskriege führen. Ein Teufelskreis also, der nicht leicht zu durchbrechen ist. Dino Argentiero und Ricardo Da Silva Campos, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt