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Projekt McDeutsch

Birgit Adolf11. Dezember 2006

Ist aus dem vermeintlich deutschen Sprachschatz längst ein internationales Gemeingut geworden? Ein Symposium zur Globalisierung der deutschen Sprache in Berlin sucht nach Antworten.

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Kunstbiennale Venedig: der japanische Pavillon, Quelle: Foto: AP
Wiedererkennungseffekte?Bild: dpa

Wenn in Deutschland über den Stellenwert der deutschen Sprache diskutiert wird, dann geht es meistens um die Schreckgespenster Anglizismen, Rechtschreibreform und nachlassendes Niveau an Kindergärten und Schulen. Doch die deutsche Sprache wird nicht nur von allen Seiten beeinflusst, sie nimmt auch selbst Einfluss - weltweit.

Das Projekt "McDeutsch" geht dieser Frage nach und hat zu diesem Zweck einen internationalen Dialog mit 50 Kulturschaffenden aus dem In- und Ausland eröffnet. In Form von Protokollen, die seit einigen Monaten auf der Webseite des Online-Magazins Berliner Gazette veröffentlicht werden und einem internationalen Symposium, das am 15.12.2006 in Berlin stattfindet will das Projekt einen Beitrag zur nationalen Debatte um die deutsche Sprache leisten und ihr eine globale Perspektive verschaffen.

Deutsch als Exportschlager

Das Goethe- und Schillerdenkmal in Weimar
Goethe und Schiller - ein angestaubtes Symbol für die deutsche Sprache?Bild: DW

"Deutsch wird nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesprochen", so Krystian Woznicki, der künstlerische Leiter des Projektes. Er nennt die Sprache einen Exportschlager mit Wirkung auf globaler Ebene. Der Prozess der Globalisierung einer Sprache bedeute laut Woznicki jedoch nicht, dass diese sich einfach in imperialistischer Weise wie McDonalds überall niederlasse. "Er bedeutet, dass sie sich auf unterschiedliche Weise verbreitet und gleichzeitig auf unterschiedliche Weise die Welt in sich aufnimmt."

Spuren bis in die Kolonialzeit

Um diesen Prozess der Globalisierung geht es in dem Projekt, an dem 50 Kulturschaffende aus allen Erdteilen beteiligt sind. Für das McDeutsch-Symposium wurden indes jeweils zwei Referenten mit Bezug zum afrikanischen sowie zum amerikanischen Kontinent ausgewählt: "Die größten deutschen Auswanderungswellen haben in die USA stattgefunden und in Afrika hat das Deutsche Reich seine wichtigsten Kolonien gehabt", erläutert Woznicki.

Deutschlerner in Togo, einer der ehemaligen deutschen Kolonien
Deutschlerner in Togo, einer der ehemaligen deutschen KolonienBild: dpa

Die Einflüsse existieren bis heute: "Für viele Menschen in den ehemaligen deutschen Kolonien hat Deutsch einen sehr hohen ideellen Wert", erklärt Herwig Kempf, Direktor des Goethe-Instituts in Togo. "Viele Togoer oder auch Kameruner verbinden mit der deutschen Sprache eine Sehnsucht nach der als guter deutscher Kolonialzeit empfundenen Vergangenheit." Tatsächliche Verwendung finde das Deutsche jedoch hauptsächlich in den höheren Schulen und Universitäten, wo viele planten zum Studium oder Arbeiten nach Deutschland zu gehen, so Kempf.

Globalisierung bedeutet Veränderung

In den USA bilden die Amerikaner deutscher Abstammung mit knapp 50 Millionen sogar die größte Gruppe, noch vor den irisch- oder englischstämmigen Amerikanern, auch wenn die große Mehrheit von ihnen heute kein Deutsch mehr spricht oder versteht. Eine Verbundenheit mit der ursprünglichen Herkunft ist vielen aber geblieben: "Vor allem hier bei uns im Mittleren Westen haben wir viele "heritage speakers", also Studenten, deren Familien deutsche Wurzeln haben", sagt Yasemin Yildiz, Juniorprofessorin an der University of Illinois.

Deutsche Tradition in New York: Die Steuben-Parade
Deutsche Tradition in New York: Die Steuben-ParadeBild: dpa

Für die 37-jährige Germanistin, die in der Türkei geboren wurde und in Bremen aufwuchs, bedeutet die Globalisierung einer Sprache vor allem, dass sie sich verändert - ein Prozess, der innerhalb Deutschlands noch immer als sehr beängstigend empfunden werde: "Dort herrscht das Gefühl, dass die deutsche Sprache bedroht wird und gerettet werden muss, statt sie als lebendige Einheit zu sehen, die sich verändert und dynamisch ist", so Yildiz.

Pragmatisches Kommunikationsmittel

Was aber bedeutet es für eine Sprache, diese Einflüsse aufzunehmen? "Eine Herausforderungen, denen sich die Sprecher stellen müssen", sagt Kofi Yakpo, deutsch-afrikanischer Rapper und Sprachwissenschaftler. Er begegnet häufig dem Vorurteil, dass Menschen, die nicht weiß sind, auch nicht die deutsche Sprache beherrschen könnten.

In Deutschland, wo inzwischen jeder sechste Einwohner einen Migrationshintergrund hat, dürfe Deutsch nicht mehr mit ethnischer Identität verknüpft werden, fordert Yakpo: "Die deutsche Sprache macht einen Wandel durch von einem nationalen, identitätsstiftenden Symbol für die weiße, nicht-migrantische Mehrheit, hin zu einem pragmatischen Kommunikationsmittel und damit einer modernen Definition von Nation."

Ein Exportschlager wie das Englische, die "Ursprache" der Globalisierung, werde das Deutsche sicherlich nie werden, doch um diesen Vergleich gehe es dem Projekt McDeutsch auch gar nicht, so Krystian Woznicki. Es sei einfach eine Tatsache, dass auch andere Sprachen über ihre jeweiligen Landesgrenzen hinaus verbreitet würden: "Es wäre unfair und langweilig, die Globalisierung einer Sprache einzig und allein am Beispiel Englisch zu verhandeln."

Das von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt läuft noch bis zum 31.12.2006. Eine Auswahl der unter www.berlingergazette.de erscheinenden Online-Protokolle wird in Form einer zweisprachigen Publikation im Kulturverlag Kadmos herausgegeben werden.