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Kein Urteil sondern Geldauflage

Karl Zawadzky29. November 2006

Der Mannesmann-Prozess ist am Mittwoch (29.11.2006) eingestellt worden. Hauptangeklagter Josef Ackermann wird nicht vorbestraft und kann weiterhin Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank bleiben.

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Kommentator: Karl Zawadzky

Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. So wird das jetzt wieder zu hören sein. Denn in der Tat: Josef Ackermann ist als Chef der Deutschen Bank einer der prominentesten, höchstbezahlten und einflußreichsten Manager Deutschlands. Auch die übrigen fünf Angeklagten waren auf den Chefetagen der Wirtschaft zuhause. Und es ging um viel Geld, das bei der teuersten Übernahmeschlacht der europäischen Wirtschaft geflossen ist. Als der britische Mobilfunkkonzern Vodafone sich vor fast sieben Jahren das deutsche Großunternehmen Mannesmann - mit Aktivitäten in Stahl und Mobilfunk - einverleibte, wurde Mannesmann-Managern die Niederlage und der Jobverlust mit fast 60 Millionen Euro entschädigt.

Vor Gericht aufzuarbeiten war danach der Verdacht der Untreue beziehungsweise der Beihilfe dazu. Einem Freispruch folgte die Revision vor dem Bundesgerichtshof und dann die Neuauflage des Prozesses, der nun ohne Urteil zu Ende gegangen ist. Die Angeklagten haben die Chance genutzt, sich freikaufen zu können. Sie zahlen beträchtliche Beträge, allein Ackermann 3,2 Millionen Euro, an die Staatskasse sowie an karitative Organisationen - und die Sache ist erledigt.

Kein Urteil für Mächtige?

Zwar sind auf diese Weise auch schon Verfahren gegen Altkanzler

Helmut Kohl und Tennisstar Steffi Graf beendet worden, doch es

trifft nicht zu, daß so Reiche, Mächtige und Prominente vor der

irdischen Gerechtigkeit bewahrt werden. Nach Paragraph 153 a der Strafprozeßordnung werden so pro Jahr rund 300.000 zumeist kleinere Fälle erledigt, wenn auf diese Weise bei geringer Schuld "das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen ist".

Im konkreten Fall spricht für den Chef der größten Bank Deutschlands, daß er als Aufsichtsrat von Mannesmann die Prämien genehmigt, aber selbst kein Geld erhalten hat. Auch der ehemalige Gewerkschaftschef Klaus Zwickel hat Zahlungen zugestimmt, aber kein Geld bekommen. Und Mannesmannchef Klaus Esser als Hauptempfänger konnte darauf verweisen, er habe die Sonderprämie nicht erbeten.

Geldauflage als angemessener Weg

In der Revision hat der Bundesgerichtshof den Angeklagten ins

Stammbuch geschrieben, sie seien als angestellte Spitzenmanager

nicht Gutsherren, sondern nur Gutsverwalter. Sie seien leichtfertig

mit dem Geld anderer, nämlich dem Geld der Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens Mannesmann, umgegangen. Doch der Nachweis von vorsätzlichem Gesetzesverstoß und von Unrechtsbewußtsein ließ sich nicht erbringen. Also ist die moderne Form des Ablasshandels ein angemessener Weg, das Verfahren zu beenden.

Für die Angeklagten hat das den Vorteil, daß sie nicht als vorbestraft gelten, was für Josef Ackermann die Voraussetzung für seinen Spitzenjob bei der Deutschen Bank ist. Die von ihm zu zahlenden 3,2 Millionen Euro kosten ihn gerade zwei Monatseinkommen, sind also leicht zu verschmerzen.

Licht in kaum ausgeleuchtete Grauzone

Das Verfahren ist ohne Schuldeingeständnis und ohne Urteil zu Ende gegangen. Dennoch war die Mühe nicht umsonst. Denn in der Revision hat der Bundesgerichtshof Licht in eine bis dahin kaum ausgeleuchtete Grauzone gebracht und wichtige Grundsätze zu Prämienzahlungen an Manager aufgestellt. Darüber hinaus sind - hoffentlich - die angestellten Großverdiener in Sachen finanzieller Bedienung und Selbstbedienung sensibilisiert worden. Jedenfalls wird künftig so schnell niemand mehr mit Hinweis auf Verbotsirrtum seinen Kopf aus der Schlinge ziehen können.

Das Verfahren war ein Beitrag zur Herstellung von Rechtssicherheit. Doch angesichts des vom Gericht sanktionierten Ablasshandels zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft bleibt auch in diesem Fall ein schaler Nachgeschmack.